Entscheidungsrückkopplung
Inhaltsverzeichnis
- 1 Prinzip und Blockschaltbild
- 2 Ideale Entscheidungsrückkopplung
- 3 Augenöffnung und Fehlerwahrscheinlichkeit bei DFE
- 4 Optimierung eines Übertragungssystems mit DFE
- 5 Realisierungsaspekte der Entscheidungsrückkopplung
- 6 Entscheidungsrückkopplung mit Laufzeitfilter
- 7 Aufgaben zum Kapitel
- 8 Quellenverzeichnis
Prinzip und Blockschaltbild
Eine Möglichkeit zur Verminderung von Impulsinterferenzen bietet die Entscheidungsrückkopplung (engl.: "Decision Feedback Equalization" (DFE). In der deutschsprachigen Literatur wird diese manchmal auch als "Quantisierte Rückkopplung" (QR) bezeichnet.
Die Grafik zeigt den entsprechenden Empfänger. Man erkennt anhand des Blockschaltbildes:
- Ohne die rot eingezeichnete Signalrückführung ergäbe sich ein herkömmlicher Digitalempfänger mit Schwellenwertentscheidung entsprechend dem Kapitel "Idealer Kanalentzerrer".
- Für die folgende Beschreibung wird wieder angenommen, dass sich das gesamte Empfangsfilter HE(f) aus dem (fiktiven) idealen Kanalentzerrer 1/HK(f) und einem Gaußtiefpass HG(f) zur Rauschleistungsbegrenzung zusammensetzt.
- Beim Empfänger mit Entscheidungsrückkopplung wird vom rechteckförmigen Ausgangssignal v(t) über ein lineares Netzwerk mit dem Frequenzgang HDFE(f) ein Kompensationssignal w(t) gewonnen und an den Eingang des Schwellenwertentscheiders zurückgeführt.
- Dieses Signal w(t) wird vom vorentzerrten Signal d(t) subtrahiert. Bei geeigneter Dimensionierung des Rückkopplungsnetzwerkes weist somit das korrigierte Signal k(t)=d(t)−w(t) keine (oder zumindest deutlich geringere) Impulsnachläufer auf als das Signal d(t). Im Gegensatz zu diesen Impulsnachläufern können die Impulsvorläufer aus Kausalitätsgründen nicht beeinflusst werden.
- Da bei diesem Empfänger mit Entscheidungsrückkopplung das Kompensationssignal w(t) vom rauschfreien Sinkensignal v(t) abgeleitet wird, ist die Signalentzerrung nicht mit einer Erhöhung der Rauschleistung verbunden wie bei linearer Entzerrung. Vielmehr besitzt das korrigierte Signal k(t) den gleichen Rauscheffektivwert σd wie das Signal d(t).
Hinweise:
(1) Die Signalverläufe dieses nichtlinearen DFE–Entzerrungsverfahrens sowie die zugehörigen Fehlerwahrscheinlichkeiten – gültig für einen verzerrungsfreien Kanal – können mit dem interaktiven SWF–Applet "Entscheidungsrückkopplung" angezeigt werden.
(2) Weitere Informationen zum Thema sowie Aufgaben, Simulationen und Programmierübungen finden Sie im
- Versuch 3: Impulsinterferenzen und Entzerrung, Programm „qrk”
- des Praktikums „Simulation digitaler Übertragungssysteme” [Söd01][1]. Diese (ehemalige) LNT-Lehrveranstaltung an der TU München basiert auf
- dem Lehrsoftwarepaket LNTsim ⇒ Link verweist auf die ZIP-Version des Programms und
- dieser Praktikumsanleitung ⇒ Link verweist auf die PDF-Version (82 Seiten).
Ideale Entscheidungsrückkopplung
Wir behandeln zunächst die ideale DFE–Realisierung anhand der Grundimpulse.
Definition: Eine ideale Entscheidungsrückkopplung liegt vor, wenn am Entscheider der folgende Grundimpuls anliegt:
- gk(t)={gd(t)0fürfürt<TD+TV,t≥TD+TV.
- Das bedeutet, dass im Idealfall der Kompensationsimpuls gw(t) den linear vorentzerrten Impuls gd(t) für alle Zeiten t>TD+TV exakt nachbilden muss.
- Die aus Realisiserungsgründen erforderliche Verzögerungszeit TV muss kleiner als die Symboldauer T sein; im Folgenden gelte stets TV=T/2.
Beispiel 1: Der Gesamtfrequenzgang HK(f)⋅HE(f)=HG(f) sei gaußförmig mit der Grenzfrequenz fG=0.3/T. Bei NRZ–Rechteckimpulsen ergibt sich dann der pinkfarben skizzierte Detektionsgrundimpuls gd(t).
⇒ Links dargestellt sind die Grundimpulse gw(t) und gk(t) bei idealer Entscheidungsrückkopplung, wobei der Detektionszeitpunkt TD=0 und die Verzögerungszeit TV=T/2 zugrunde liegen.
⇒ Die rechten Bilder aus [Söd01][1] – alle ohne Berücksichtigung des Rauschens – machen deutlich, dass durch die Kompensation aller Impulsnachläufer mittels des Korrektursignals w(t) die Abstände der Nutzabstandswerte dS(ν⋅T) von der Entscheiderschwelle E=0 verändert werden.
- Besonders geringe Abstände wie beispielsweise zu den Zeitpunkten t=6T und t=7T werden deutlich vergrößert und damit deren Fehlerwahrscheinlichkeiten stark verringert (Pfeile weggehend von der Schwelle).
- Dagegen werden die im Signal d(t) weiter vom Schwellenwert E=0 entfernten Detektionsabtastwerte zur Schwelle hin verschoben und deren Verfälschungswahrscheinlichkeit somit leicht erhöht. Dies erkennt man zum Beispiel für den Zeitpunkt t=5T.
Augenöffnung und Fehlerwahrscheinlichkeit bei DFE
Wir betrachten nun die Augendiagramme
- ohne DFE (linke Grafik) und
- mit idealer DFE (rechte Grafik).
Dabei wird von den gleichen Voraussetzungen wie auf der letzten Seite ausgegangen, so dass folgende Grundimpulswerte vorliegen:
- g0=gd(t=0)=0.548⋅s0,
- g1=gd(t=T)=0.214⋅s0=g−1,
- g2=gd(t=2T)=0.012⋅s0=g−2,
- g3=g−3=...≈0.
Die beiden Augendiagramme können wie folgt interpretiert werden:
- Beim herkömmlichen Empfänger (ohne DFE) gilt bei binärer bipolarer redundanzfreier Codierung unter Berücksichtigung der Symmetrie:
- ¨o(TD=0)=2⋅[g0−|g−1|−|g−2|−|g1|−|g2|]=2⋅[g0−2⋅g1−2⋅g2]=0.192⋅s0.
- Dagegen werden bei idealer DFE die beiden Nachläufer g1 und g2 vollständig kompensiert und man erhält für die vertikale Augenöffnung:
- ¨o(TD=0)=2⋅[g0−|g−1|−|g−2|]=2⋅[g0−g1−g2]=0.644⋅s0.
- Da das Korrektursignal w(t) aus dem entschiedenen und damit rauschfreien Signal v(t) abgeleitet wird, wird der Rauscheffektivwert σd durch die Entscheidungsrückkopplung nicht verändert. Der Störabstandsgewinn durch die DFE ist somit im betrachteten Beispiel gleich
- GDFE=20⋅lg0.6440.192≈10.5dB.
Fazit: Bei einem Koaxialkabel mit der charakteristischen Kabeldämpfung a⋆=80 dB und 10⋅lg (EB/N0)=80 dB bedeutet dieser Störabstandsgewinn z.B., dass die ungünstigste Fehlerwahrscheinlichkeit pU durch die DFE von 7% auf ca. 4⋅10−7 verkleinert wird – eine durchaus beachtenswerte Verbesserung.
Optimierung eines Übertragungssystems mit DFE
Die letzte Seite hat bereits deutlich gemacht, dass die DFE bereits dann einen enormen Störabstandsgewinn bewirkt, wenn
- von einer festen Grenzfrequenz fG und
- dem festen Detektionszeitpunkt TD=0
ausgegangen wird. Das System lässt sich aber weiter verbessern, wenn die beiden Parameter fG und TD gemeinsam optimiert werden.
Die Grafik zeigt die Augendiagramme ohne Rauschen für
- fG⋅T=0.3 (links) und
- fG⋅T=0.2 (rechts).
Für die Grafik und die nachfolgenden Berechnungen sind weiterhin die charakteristische Kabeldämpfung a⋆=80 dB sowie der AWGN–Parameter 10⋅lg (EB/N0)=80 dB (mit EB=s20⋅T) vorausgesetzt.
Das linke Diagramm ist weitgehend – bis auf den Detektionszeitpunkt TD – identisch mit dem rechten Augendiagramm auf der letzten Seite.
Die Optimierungsergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Mit fG⋅T=0.3 kann durch Verschiebung des Detektionszeitpunktes auf TD, opt=−0.3T die Augenöffnung auf ¨o(TD, opt)=0.779⋅s0 vergrößert werden.
- Daraus resultiert gegenüber TD=0 (vergleiche letze Seite) ein weiterer Störabstandsgewinn von GTD, opt=20⋅lg0.779/644≈1.65dB.
- Die Fehlerwahrscheinlichkeit ergibt sich nun zu pU≈1.3⋅10−9 (gegenüber 4⋅10−7).
Beim DFE–Empfänger kann man aber zusätzlich die Grenzfrequenz weiter herabsetzen. Der Grund ist das bessere Rauschverhalten bei kleinerer Grenzfrequenz. Der normierte Rauscheffektivwert ergibt sich statt zu σd/s0=0.065 (für fG⋅T=0.3) zum Beispiel zu σd/s0=0.010 (für fG⋅T=0.2).
- So ergibt sich mit fG⋅T=0.2 und TD=0 die zwar kleine, aber immerhin von Null verschiedene Augenöffnung ¨onorm=0.152, die zusammen mit dem sehr günstigen Rauscheffektivwert zum (ungünstigsten) Störabstand 17.6 dB und zur (ungünstigsten) Fehlerwahrscheinlichkeit pU≈1.6⋅10−14 führt.
- Durch Kombination der Grenzfrequenz fG⋅T=0.2 mit dem Detektionszeitpunkt TD=−T/2 erhält man schließlich die bei den getroffenen Voraussetzungen optimale Systemkonfiguration mit der normierten Augenöffnung ¨onorm=0.368 und dem (ungünstigsten) Störabstand 10⋅lg ρU=25.3 dB.
- Die Fehlerwahrscheinlichkeit ist damit (praktisch) Null. Praxisrelevant ist allerdings diese Konfiguration nicht: Bereits eine minimale Toleranz der Systemparameter führt schon zu einem geschlossenem Auge.
Realisierungsaspekte der Entscheidungsrückkopplung
Als ein wesentliches Ergebnis des letzten Kapitels "Lineare Nyquistentzerrung" und des aktuellen Kapitels "Entscheidungsrückkopplung" empfiehlt sich folgende Vorgehensweise:
Fazit: Für ein Übertragungssystem über Kupferleitungen (Koaxialkabel, Zweidrahtleitung) sind aufgrund des erreichbaren Signal–zu–Rauschabstandes am Entscheider folgende Systemvarianten besonders geeignet:
- ein Mehrstufensystem (zum Beispiel M=4) und die optimale Nyquistentzerrung zur Kompensation der starken Impulsinterferenzen, hervorgerufen durch die linearen Kanalverzerrungen;
- ein Binärsystem mit relativ kleiner Bandbreite des Gesamtfrequenzganges HG(f)=HK(f)⋅HE(f) und ein nichtlinearer Detektor mit DFE.
Beide Systemvarianten liefern bei idealisierten Bedingungen vergleichbar gute Resultate. Zu beachten ist allerdings, dass es durch Realisierungsungenauigkeiten bei beiden Systemen zu großen Degradationen kommen kann, die hier am Beispiel des DFE–Systems genannt werden:
- Da über das Fernsprechnetz kein Gleichsignal übertragen werden kann, für unsere Berechnungen aber HK(f=0)=1 angenommen wird, ist am Empfänger eine "Gleichsignalwiedergewinnung" erforderlich. Diese Aussage trifft in gleicher Weise für das quaternäre Nyquistsystem zu.
- Beim DFE–System muss der Kompensationsimpuls gw(t) den vorentzerrten Grundimpuls gd(t) exakt nachbilden. Dies ist insbesondere dann schwierig, wenn gd(t) sehr breit ist (kleine Grenzfrequenz, zum Beispiel fG⋅T=0.2) und die Optimierung den Detektionszeitpunkt TD, opt=−T/2 liefert.
- Kommt es aufgrund eines sehr großen Rauschwertes zu einer Fehlentscheidung, so werden auch die nachfolgenden Symbole mit großer Wahrscheinlichkeit verfälscht. Allerdings gibt es immer wieder Symbolfolgen, die diese "Fehlerfortpflanzung" unterbrechen.
Beispiel 2: Die Grafik zeigt den Grundimpuls gd(t)
- für die Grenzfrequenz fG⋅T=0.2 (rote Kurve) und
- den Kompensationsimpuls gw(t) für TD=−T/2 (blau gefüllt).
Hierbei ist eine Verzögerungszeit TV=−T/2 zwischen Entscheidung und Beginn der Signalkorrektur berücksichtigt. Man erkennt:
- Für TD=−T/2 ist der erste Nachläufer gd(TD+T)=gd(T/2) genau so groß wie der Hauptwert gd(TD)=gd(−T/2).
- Gelingt es nicht, alle Nachläufer vollständig zu kompensieren, so ergibt sich schnell ein geschlossenes Auge und damit im ungünstigsten Fall ("Worst–Case") die Fehlerwahrscheinlichkeit pU≈50%.
Entscheidungsrückkopplung mit Laufzeitfilter
Für eine schaltungstechnische Realisierung genügt es, wenn der korrigierte Grundimpuls gk(t) nur zu den äquidistanten Detektionszeitpunkten TD+ν⋅T zu Null wird.
Eine Realisierungsmöglichkeit stellt somit ein unsymmetrisches Laufzeitfilter gemäß nebenstehender Grafik dar,
- dessen Ordnung N (Anzahl der Filterkoeffizienten) und
- dessen Filterkoeffizienten kν (mit ν=1, ... , N)
durch den Grundimpuls gd(t) sowie den Detektionszeitpunkt TD festgelegt sind.
Diese DFE–Realisierung weist folgende Eigenschaften auf:
- Da das Ausgangssignal v(t) rechteckförmig ist, ist der Kompensationsimpuls gw(t) treppenförmig.
- Bei richtiger Dimensionierung der Filterkoeffizienten kν gilt für ν=1, ... , N:
- gw(TD+ν⋅T)=gd(TD+ν⋅T)⇒gk(TD+ν⋅T)=0.
- Zum Detektionszeitpunkt TD ergibt sich die genau gleiche vertikale Augenöffnung wie bei idealer DFE. Nachteilig ist allerdings eine kleinere horizontale Augenöffnung.
Beispiel 3: Die Grafik zeigt die Grundimpulse gd(t) und gw(t) bei der Entscheidungsrückkopplung mit einem Laufzeitfilter zweiter Ordnung.
Es gelten die gleichen Voraussetzungen wie für das Beispiel 2 auf der letzten Seite: fG⋅T=0.2 und TD=−T/2. Man erkennt:
- Wegen der Ordnung N=2 werden hier allerdings nur die beiden ersten Nachläufer gd(0.5T) und gd(1.5T) kompensiert.
- Der dritte Nachläufer gd(2.5T) könnte durch einen weiteren Filterkoeffizienten k3 zu Null gemacht werden.
- Dagegen können die Impulsvorläufer gd(−1.5T) und gd(−2.5T) prinzipiell nicht kompensiert werden.
Aufgaben zum Kapitel
Aufgabe 3.8: Decision Feedback Equalization mit Laufzeitfilter
Aufgabe 3.8Z: Optimaler Detektionszeitpunkt bei DFE
Quellenverzeichnis
- ↑ Hochspringen nach: 1,0 1,1 Söder, G.: Simulation digitaler Übertragungssysteme. Anleitung zum gleichnamigen Praktikum. Lehrstuhl für Nachrichtentechnik, Technische Universität München, 2001.