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Entscheidungsrückkopplung

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Version vom 27. Juni 2022, 17:17 Uhr von Guenter (Diskussion | Beiträge)
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Prinzip und Blockschaltbild


Eine Möglichkeit zur Verminderung von Impulsinterferenzen bietet die  Entscheidungsrückkopplung  (engl.:  "Decision Feedback Equalization"  (DFE).  In der deutschsprachigen Literatur wird diese manchmal auch als  "Quantisierte Rückkopplung"  (QR)  bezeichnet.

Die Grafik zeigt den entsprechenden Empfänger.  Man erkennt anhand des Blockschaltbildes:

Empfänger mit Entscheidungsrückkopplung  (DFE)
  • Ohne die rot eingezeichnete Signalrückführung ergäbe sich ein herkömmlicher Digitalempfänger mit Schwellenwertentscheidung entsprechend dem Kapitel  "Idealer Kanalentzerrer".
  • Für die folgende Beschreibung wird wieder angenommen,  dass sich das gesamte Empfangsfilter  HE(f)  aus dem (fiktiven) idealen Kanalentzerrer  1/HK(f)  und einem Gaußtiefpass  HG(f)  zur Rauschleistungsbegrenzung zusammensetzt.
  • Beim Empfänger mit Entscheidungsrückkopplung wird vom rechteckförmigen Ausgangssignal  v(t)  über ein lineares Netzwerk mit dem Frequenzgang  HDFE(f)  ein Kompensationssignal  w(t)  gewonnen und an den Eingang des Schwellenwertentscheiders zurückgeführt.
  • Dieses Signal  w(t)  wird vom vorentzerrten Signal  d(t)  subtrahiert. Bei geeigneter Dimensionierung des Rückkopplungsnetzwerkes weist somit das  korrigierte Signal  k(t)=d(t)w(t) keine  (oder zumindest deutlich geringere)  Impulsnachläufer auf als das Signal  d(t).  Im Gegensatz zu diesen Impulsnachläufern können die Impulsvorläufer aus Kausalitätsgründen nicht beeinflusst werden.
  • Da bei diesem Empfänger mit Entscheidungsrückkopplung das Kompensationssignal  w(t)  vom rauschfreien Sinkensignal  v(t)  abgeleitet wird,  ist die Signalentzerrung nicht mit einer Erhöhung der Rauschleistung verbunden wie bei linearer Entzerrung.  Vielmehr besitzt das korrigierte Signal  k(t)  den gleichen Rauscheffektivwert  σd  wie das Signal  d(t).


Hinweise:

(1)   Die Signalverläufe dieses nichtlinearen DFE–Entzerrungsverfahrens  sowie die zugehörigen Fehlerwahrscheinlichkeiten – gültig für einen verzerrungsfreien Kanal – können mit dem interaktiven SWF–Applet  "Entscheidungsrückkopplung"  angezeigt werden.

(2)   Weitere Informationen zum Thema sowie Aufgaben, Simulationen und Programmierübungen finden Sie im

Versuch 3: Impulsinterferenzen und Entzerrung,     Programm „qrk”
des Praktikums „Simulation digitaler Übertragungssysteme” [Söd01][1]. Diese (ehemalige) LNT-Lehrveranstaltung an der TU München basiert auf
  • dem Lehrsoftwarepaket  LNTsim  ⇒  Link verweist auf die ZIP-Version des Programms und
  • dieser Praktikumsanleitung  ⇒  Link verweist auf die PDF-Version (82 Seiten).


Ideale Entscheidungsrückkopplung


Wir behandeln zunächst die ideale DFE–Realisierung anhand der Grundimpulse.

Definition:  Eine  ideale Entscheidungsrückkopplung  liegt vor,  wenn am Entscheider der folgende Grundimpuls anliegt:

gk(t)={gd(t)0fürfürt<TD+TV,tTD+TV.
  • Das bedeutet,  dass im Idealfall der Kompensationsimpuls  gw(t)  den linear vorentzerrten Impuls  gd(t)  für alle Zeiten  t>TD+TV  exakt nachbilden muss.
  • Die aus Realisiserungsgründen erforderliche Verzögerungszeit  TV  muss kleiner als die Symboldauer  T  sein;  im Folgenden gelte stets  TV=T/2.


Beispiel 1:  Der Gesamtfrequenzgang  HK(f)HE(f)=HG(f)  sei gaußförmig mit der Grenzfrequenz  fG=0.3/T.  Bei NRZ–Rechteckimpulsen ergibt sich dann der pinkfarben skizzierte Detektionsgrundimpuls  gd(t).

Grundimpulse und Signale bei idealer  "Decision Feedback Equalization"

⇒   Links dargestellt sind die Grundimpulse  gw(t)  und  gk(t)  bei idealer Entscheidungsrückkopplung,  wobei der Detektionszeitpunkt  TD=0  und die Verzögerungszeit  TV=T/2  zugrunde liegen.

⇒   Die rechten Bilder aus  [Söd01][1] – alle ohne Berücksichtigung des Rauschens – machen deutlich, dass durch die Kompensation aller Impulsnachläufer mittels des Korrektursignals  w(t)  die Abstände der Nutzabstandswerte  dS(νT)  von der Entscheiderschwelle  E=0  verändert werden.

  • Besonders geringe Abstände wie beispielsweise zu den Zeitpunkten  t=6T  und  t=7T  werden deutlich vergrößert und damit deren Fehlerwahrscheinlichkeiten stark verringert  (Pfeile weggehend von der Schwelle).
  • Dagegen werden die im Signal  d(t)  weiter vom Schwellenwert  E=0  entfernten Detektionsabtastwerte zur Schwelle hin verschoben und deren Verfälschungswahrscheinlichkeit somit leicht erhöht.  Dies erkennt man zum Beispiel für den Zeitpunkt  t=5T.


Augenöffnung und Fehlerwahrscheinlichkeit bei DFE


Augendiagramme ohne und mit  "Decision Feedback Equalization"  (fGT=0.3)

Wir betrachten nun die Augendiagramme

  • ohne DFE  (linke Grafik)  und
  • mit idealer DFE (rechte Grafik).


Dabei wird von den gleichen Voraussetzungen wie auf der letzten Seite ausgegangen,  so dass folgende Grundimpulswerte vorliegen:

g0=gd(t=0)=0.548s0,
g1=gd(t=T)=0.214s0=g1,
g2=gd(t=2T)=0.012s0=g2,
g3=g3=...0.

Die beiden Augendiagramme können wie folgt interpretiert werden:

  • Beim herkömmlichen Empfänger (ohne DFE) gilt bei binärer bipolarer redundanzfreier Codierung unter Berücksichtigung der Symmetrie:
¨o(TD=0)=2[g0|g1||g2||g1||g2|]=2[g02g12g2]=0.192s0.
  • Dagegen werden bei idealer DFE die beiden Nachläufer  g1  und  g2  vollständig kompensiert und man erhält für die vertikale Augenöffnung:
¨o(TD=0)=2[g0|g1||g2|]=2[g0g1g2]=0.644s0.
  • Da das Korrektursignal  w(t)  aus dem entschiedenen und damit rauschfreien Signal  v(t)  abgeleitet wird,  wird der Rauscheffektivwert  σd  durch die Entscheidungsrückkopplung nicht verändert.  Der Störabstandsgewinn durch die DFE ist somit im betrachteten Beispiel gleich
GDFE=20lg0.6440.19210.5dB.

Fazit:  Bei einem Koaxialkabel mit der charakteristischen Kabeldämpfung  a=80 dB  und  10lg (EB/N0)=80 dB  bedeutet dieser Störabstandsgewinn z.B.,  dass die ungünstigste Fehlerwahrscheinlichkeit  pU  durch die DFE von  7%  auf ca.  4107  verkleinert wird – eine durchaus beachtenswerte Verbesserung.


Optimierung eines Übertragungssystems mit DFE


Die letzte Seite hat bereits deutlich gemacht,  dass die DFE bereits dann einen enormen Störabstandsgewinn bewirkt,  wenn

Augendiagramme mit DFE und optimiertem Detektionszeitpunkt
  • von einer festen Grenzfrequenz  fG  und
  • dem festen Detektionszeitpunkt  TD=0


ausgegangen wird.  Das System lässt sich aber weiter verbessern,  wenn die beiden Parameter  fG  und  TD  gemeinsam optimiert werden.

Die Grafik zeigt die Augendiagramme ohne Rauschen für

  • fGT=0.3  (links) und
  • fGT=0.2  (rechts).


Für die Grafik und die nachfolgenden Berechnungen sind weiterhin die charakteristische Kabeldämpfung a=80 dB sowie der AWGN–Parameter 10lg (EB/N0)=80 dB (mit EB=s20T) vorausgesetzt.

Das linke Diagramm ist weitgehend – bis auf den Detektionszeitpunkt TD – identisch mit dem rechten Augendiagramm auf der letzten Seite.

Die Optimierungsergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Mit  fGT=0.3  kann durch Verschiebung des Detektionszeitpunktes auf  TD, opt=0.3T  die Augenöffnung auf  ¨o(TD, opt)=0.779s0  vergrößert werden.
  • Daraus resultiert gegenüber  TD=0  (vergleiche letze Seite)  ein weiterer Störabstandsgewinn von  GTD, opt=20lg0.779/6441.65dB.
  • Die Fehlerwahrscheinlichkeit ergibt sich nun zu  pU1.3109  (gegenüber  4107).


Beim DFE–Empfänger kann man aber zusätzlich die Grenzfrequenz weiter herabsetzen.  Der Grund ist das bessere Rauschverhalten bei kleinerer Grenzfrequenz.  Der normierte Rauscheffektivwert ergibt sich statt zu  σd/s0=0.065  (für  fGT=0.3)  zum Beispiel zu  σd/s0=0.010  (für  fGT=0.2).

  • So ergibt sich mit  fGT=0.2  und  TD=0  die zwar kleine,  aber immerhin von Null verschiedene Augenöffnung  ¨onorm=0.152,  die zusammen mit dem sehr günstigen Rauscheffektivwert zum (ungünstigsten) Störabstand  17.6 dB  und zur (ungünstigsten) Fehlerwahrscheinlichkeit  pU1.61014  führt.
  • Durch Kombination der Grenzfrequenz  fGT=0.2  mit dem Detektionszeitpunkt  TD=T/2  erhält man schließlich die bei den getroffenen Voraussetzungen optimale Systemkonfiguration mit der normierten Augenöffnung  ¨onorm=0.368  und dem (ungünstigsten) Störabstand  10lg ρU=25.3 dB.
  • Die Fehlerwahrscheinlichkeit ist damit (praktisch) Null.  Praxisrelevant ist allerdings diese Konfiguration nicht:   Bereits eine minimale Toleranz der Systemparameter führt schon zu einem geschlossenem Auge.


Realisierungsaspekte der Entscheidungsrückkopplung


Als ein wesentliches Ergebnis des letzten Kapitels  "Lineare Nyquistentzerrung"  und des aktuellen Kapitels  "Entscheidungsrückkopplung"  empfiehlt sich folgende Vorgehensweise:

Fazit:  Für ein Übertragungssystem über Kupferleitungen  (Koaxialkabel,  Zweidrahtleitung)  sind aufgrund des erreichbaren Signal–zu–Rauschabstandes am Entscheider folgende Systemvarianten besonders geeignet:

  • ein  Mehrstufensystem  (zum Beispiel  M=4)  und die  optimale Nyquistentzerrung  zur Kompensation der starken Impulsinterferenzen,  hervorgerufen durch die linearen Kanalverzerrungen;
  • ein  Binärsystem  mit relativ kleiner Bandbreite des Gesamtfrequenzganges  HG(f)=HK(f)HE(f)  und ein nichtlinearer Detektor mit  DFE.


Beide Systemvarianten liefern bei idealisierten Bedingungen vergleichbar gute Resultate.  Zu beachten ist allerdings,  dass es durch Realisierungsungenauigkeiten bei beiden Systemen zu großen Degradationen kommen kann,  die hier am Beispiel des DFE–Systems genannt werden:

  • Da über das Fernsprechnetz kein Gleichsignal übertragen werden kann,  für unsere Berechnungen aber  HK(f=0)=1  angenommen wird,  ist am Empfänger eine  "Gleichsignalwiedergewinnung"  erforderlich.  Diese Aussage trifft in gleicher Weise für das quaternäre Nyquistsystem zu.
  • Beim DFE–System muss der Kompensationsimpuls  gw(t)  den vorentzerrten Grundimpuls  gd(t)  exakt nachbilden.  Dies ist insbesondere dann schwierig,  wenn  gd(t)  sehr breit ist  (kleine Grenzfrequenz,  zum Beispiel  fGT=0.2)  und die Optimierung den Detektionszeitpunkt  TD, opt=T/2 liefert.
  • Kommt es aufgrund eines sehr großen Rauschwertes zu einer Fehlentscheidung,  so werden auch die nachfolgenden Symbole mit großer Wahrscheinlichkeit verfälscht.  Allerdings gibt es immer wieder Symbolfolgen,  die diese  "Fehlerfortpflanzung"  unterbrechen.


Grundimpulse bei idealer DFE

Beispiel 2:  Die Grafik zeigt den Grundimpuls  gd(t) 

  • für die Grenzfrequenz  fGT=0.2  (rote Kurve)  und
  • den Kompensationsimpuls  gw(t)  für TD=T/2  (blau gefüllt).


Hierbei ist eine Verzögerungszeit  TV=T/2  zwischen Entscheidung und Beginn der Signalkorrektur berücksichtigt.  Man erkennt:

  • Für  TD=T/2  ist der erste Nachläufer  gd(TD+T)=gd(T/2)  genau so groß wie der Hauptwert  gd(TD)=gd(T/2).
  • Gelingt es nicht,  alle Nachläufer vollständig zu kompensieren,  so ergibt sich schnell ein geschlossenes Auge und damit im ungünstigsten Fall  ("Worst–Case")  die Fehlerwahrscheinlichkeit  pU50%.


Entscheidungsrückkopplung mit Laufzeitfilter


Für eine schaltungstechnische Realisierung genügt es, wenn der korrigierte Grundimpuls  gk(t)  nur zu den äquidistanten Detektionszeitpunkten  TD+νT  zu Null wird.

Entscheidungsrückkopplung mit Laufzeitfilter

Eine Realisierungsmöglichkeit stellt somit ein unsymmetrisches  Laufzeitfilter  gemäß nebenstehender Grafik dar,

  • dessen Ordnung  N  (Anzahl der Filterkoeffizienten)  und
  • dessen Filterkoeffizienten kν  (mit ν=1, ... , N) 

durch den Grundimpuls  gd(t)  sowie den Detektionszeitpunkt  TD  festgelegt sind.


Diese DFE–Realisierung weist folgende Eigenschaften auf:

  • Da das Ausgangssignal  v(t)  rechteckförmig ist,  ist der Kompensationsimpuls  gw(t)  treppenförmig.
  • Bei richtiger Dimensionierung der Filterkoeffizienten  kν  gilt für  ν=1, ... , N:
gw(TD+νT)=gd(TD+νT)gk(TD+νT)=0.
  • Zum Detektionszeitpunkt  TD  ergibt sich die genau gleiche vertikale Augenöffnung wie bei idealer DFE.  Nachteilig ist allerdings eine kleinere horizontale Augenöffnung.

Grundimpulse bei DFE mit Laufzeitfilter

Beispiel 3:  Die Grafik zeigt die Grundimpulse  gd(t)  und  gw(t)  bei der Entscheidungsrückkopplung mit einem Laufzeitfilter zweiter Ordnung.

Es gelten die gleichen Voraussetzungen wie für das  Beispiel 2  auf der letzten Seite:   fGT=0.2  und  TD=T/2.  Man erkennt:

  • Wegen der Ordnung  N=2  werden hier allerdings nur die beiden ersten Nachläufer  gd(0.5T)  und  gd(1.5T)  kompensiert.
  • Der dritte Nachläufer  gd(2.5T)  könnte durch einen weiteren Filterkoeffizienten  k3  zu Null gemacht werden.
  • Dagegen können die Impulsvorläufer  gd(1.5T)  und  gd(2.5T)  prinzipiell nicht kompensiert werden.


Aufgaben zum Kapitel


Aufgabe 3.8: Decision Feedback Equalization mit Laufzeitfilter

Aufgabe 3.8Z: Optimaler Detektionszeitpunkt bei DFE

Quellenverzeichnis

  1. Hochspringen nach: 1,0 1,1 Söder, G.:  Simulation digitaler Übertragungssysteme.  Anleitung zum gleichnamigen Praktikum. Lehrstuhl für Nachrichtentechnik, Technische Universität München, 2001.