Aufgabe 4.07: Nochmals Entscheidungsgrenzen
Wir betrachten ein Übertragungssystem mit
- nur einer Basisfunktino (N=1),
- zwei Signalen (M=2) mit s0=√Es und s1=−√Es ,
- einem AWGN–Kanal mit Varianz σ2n=N0/2.
Da in dieser Aufgabe der allgemeine Fall Pr(m0)≠Pr(m1) behandelt wird, genügt es nicht, die bedingten Dichtefunktionen pr|mi(ρ|mi) zu betrachten. Vielmehr müssen diese noch mit den Symbolwahrscheinlichkeiten Pr(mi) multipliziert werden. Für i sind hier die Werte 0 und 1 einzusetzen.
Liegt die Entscheidungsgrenze zwischen den beiden Regionen I0 und I1 bei G=0, also in der Mitte zwischen \boldsymbol{s}_0 und \boldsymbol{s}_1, so ist die Fehlerwahrscheinlichkeit unabhängig von den Auftrittswahrscheinlichkeiten {\rm Pr}(m_0) und {\rm Pr}(m_1):
- p_{\rm S} = {\rm Pr}({ \cal E} ) = {\rm Q} \left ( \frac{d/2}{\sigma_n} \right ) \hspace{0.05cm}.
- Hierbei gibt d den Abstand zwischen den Signalpunkten s_0 und s_1 an und d/2 dementsprechend den jeweiligen Abstand von s_0 bzw. s_1 von der Grenze G = 0.
- Der Effektivwert (Wurzel aus der Varianz) des AWGN–Rauschens ist \sigma_n.
Sind dagegen die Auftrittswahrscheinlichkeiten unterschiedlich ⇒ {\rm Pr}(m_0) ≠ {\rm Pr}(m_1), so kann durch eine Verschiebung der Entscheidergrenze G eine kleinere Fehlerwahrscheinlichkeit erzielt werden:
- p_{\rm S} = {\rm Pr}(m_1) \cdot {\rm Q} \left ( \frac{d/2}{\sigma_n} \cdot (1 + \gamma) \right ) + {\rm Pr}(m_0) \cdot {\rm Q} \left ( \frac{d/2}{\sigma_n} \cdot (1 - \gamma) \right )\hspace{0.05cm},
wobei die Hilfsgröße \gamma wie folgt definiert ist:
- \gamma = 2 \cdot \frac{ \sigma_n^2}{d^2} \cdot {\rm ln} \hspace{0.15cm} \frac{{\rm Pr}( m_1)}{{\rm Pr}( m_0)} \hspace{0.05cm},\hspace{0.2cm} G_{\rm opt} = \gamma \cdot \sqrt {E_{\rm S}}\hspace{0.05cm}.
Hinweise:
- Die Aufgabe gehört zum Kapitel "Approximation der Fehlerwahrscheinlichkeit".
- Die Werte der Q–Funktion können Sie mit unserem interaktiven Applet "Komplementäre Gaußsche Fehlerfunktion" ermitteln.
Fragebogen
Musterlösung
- {\rm Pr}(m_1) = 2 \cdot {\rm Pr}(m_0) \hspace{0.05cm},\hspace{0.2cm} {\rm Pr}(m_0) + {\rm Pr}(m_1) = 1
- folgt direkt {\rm Pr}(m_0) = 1/3 \ \underline {\approx 0.333} und {\rm Pr}(m_1) = 2/3 \ \underline {\approx 0.667}.
(2) Mit der Entscheidergrenze G = 0 gilt unabhängig von den Auftrittswahrscheinlichkeiten:
- p_{\rm S} = {\rm Q} \left ( \frac{d/2}{\sigma_n} \right ) \hspace{0.05cm}.
- Mit d = 2 \cdot \sqrt{E_{\rm S}} und \sigma_n = \sqrt{E_{\rm S}}/3 ergibt sich hierfür:
- p_{\rm S} = {\rm Q} (3) \hspace{0.1cm} \hspace{0.15cm}\underline {\approx 0.135 \%} \hspace{0.05cm}.
(3) Entsprechend der Angabe gilt für den „normierten Schwellenwert”:
- \gamma = \frac{G_{\rm opt}}{E_{\rm S}^{1/2}} = 2 \cdot \frac{ \sigma_n^2}{d^2} \cdot {\rm ln} \hspace{0.15cm} \frac{{\rm Pr}( m_1)}{{\rm Pr}( m_0)} = \frac{ 2 \cdot E_{\rm S}/9}{4 \cdot E_{\rm S}} \cdot {\rm ln} \hspace{0.15cm} \frac{2/3}{1/3} \hspace{0.1cm}\hspace{0.15cm}\underline {\approx 0.04} \hspace{0.05cm}.
- Damit ist G_{\rm opt} = \gamma \cdot \sqrt{E_{\rm S}} = 0.04 \cdot \sqrt{E_{\rm S}}.
- Die optimale Entscheidergrenze ist demnach nach rechts (hin zum unwahrscheinlicheren Symbol s_0) verschoben, wegen {\rm Pr}(m_0) < {\rm Pr}(m_1).
(4) Mit dieser optimalen Entscheidergrenze ergibt sich eine gegenüber der Teilaufgabe (2) geringfügig kleinere Fehlerwahrscheinlichkeit:
- p_{\rm S} \hspace{-0.1cm} \ = \ \hspace{-0.1cm} {2}/{3} \cdot {\rm Q} (3 \cdot 1.04) + {1}/{3} \cdot {\rm Q} (3 \cdot 0.96) = {2}/{3} \cdot 0.090 \cdot 10^{-2} + {1}/{3} \cdot 0.199 \cdot 10^{-2} \hspace{0.1cm}\hspace{0.15cm}\underline {\approx 0.126 \%} \hspace{0.05cm}.
(5) Mit der Entscheidergrenze in der Mitte zwischen den Symbolen (G = 0) ergibt sich analog zur Teilaufgabe (2) mit der nun größeren Rauschvarianz:
- p_{\rm S} = {\rm Q} \left ( \frac{d/2}{\sigma_n} \right ) = {\rm Q} \left ( \frac{\sqrt{E_{\rm S}}}{\sqrt{E_{\rm S}}} \right )= {\rm Q} (1)\hspace{0.1cm} \hspace{0.15cm}\underline {\approx 15.9 \%} \hspace{0.05cm}.
- Die Kenngröße \gamma (normierte bestmögliche Verschiebung der Entscheidergrenze) ist
- \gamma = 2 \cdot \frac{ \sigma_n^2}{d^2} \cdot {\rm ln} \hspace{0.15cm} \frac{{\rm Pr}( m_1)}{{\rm Pr}( m_0)} = \frac{ 2 \cdot E_{\rm S}}{4 \cdot E_{\rm S}} \cdot {\rm ln} \hspace{0.15cm} \frac{2/3}{1/3} = \frac{{\rm ln} \hspace{0.15cm} 2}{2} \approx 0.35
- \Rightarrow \hspace{0.3cm} G_{\rm opt} = 0.35 \cdot \sqrt{E_{\rm S}} \hspace{0.05cm}.
- Das häufigere Symbol wird nun seltener verfälscht ⇒ die mittlere Fehlerwahrscheinlichkeit wird geringer:
- p_{\rm S} = {2}/{3} \cdot {\rm Q} (1.35) + {1}/{3} \cdot {\rm Q} (0.65) = {2}/{3} \cdot 0.0885 +{1}/{3} \cdot 0.258 \hspace{0.1cm} \hspace{0.15cm}\underline {\approx 14.5 \%} \hspace{0.05cm}.
- Die Abbildung macht deutlich, dass die optimale Entscheidergrenze auch grafisch als Schnittpunkt der beiden (gewichteten) Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen ermittelt werden kann:
(6) Alle Lösungsvorschläge dieser eher akademischen Teilaufgabe sind richtig:
- Mit dem Schwellenwert G = 0 ergibt sich p_{\rm S} = {\rm Q}(0.5) \ \underline {\approx 0.309}.
- Die Kenngröße \gamma = 1.4 hat nun den vierfachen Wert gegenüber der Teilaufgabe (5),
so dass die optimale Entscheidergrenze nun bei G_{\rm opt} = \underline {1.4 \cdot s_0} liegt. - Somit gehört der (ungestörte) Signalwert s_0 nicht zur Entscheidungsregion I_0, sondern zu I_1, gekennzeichnet durch \rho < G_{\rm opt}.
- Nur mit einem (positiven) Rauschanteil ist I_0\ (\rho > G_{\rm opt}) überhaupt erst möglich. Für die Fehlerwahrscheinlichkeit gilt mit G_{\rm opt} = 1.4 \cdot s_0:
- p_{\rm S} \hspace{-0.1cm} \ = \ \hspace{-0.1cm} {2}/{3} \cdot {\rm Q} (0.5 \cdot (1 + 1.4)) + {1}/{3} \cdot {\rm Q} (0.5 \cdot (1 - 1.4)) = \hspace{0.15cm}\underline {\approx 27\%} \hspace{0.05cm}.
Die nebenstehende Grafik verdeutlicht die hier gemachten Aussagen.