Wir vergleichen ein redundanzfreies Binärsystem $(M = 2)$ und ein redundanzfreies Quaternärsystem $(M = 4)$ hinsichtlich ihrer S/N–Verhältnisse im ungünstigsten Fall:
- $$\rho_{\rm U} = \frac{\big[\ddot{o}(T_{\rm D})/2 \big]^2}{ \sigma_d^2} \hspace{0.05cm}.$$
$\ddot{o}(T_{\rm D})$ ist die vertikale Augenöffnung und $\sigma_d^2$ gibt die Detektionsrauschleistung an. Für beide Systemkonfigurationen gelten die gleichen Randbedingungen (ähnlich wie in Aufgabe 3.4Z):
- Der rechteckige Sendegrundimpuls $g_s(t)$ im NRZ–Format hat die Höhe $s_0 = 1 \, {\rm V}$.
- Die (äquivalente) Bitrate beträgt in beiden Fällen $R_{\rm B} = 100 \, {\rm Mbit/s}$.
- Der Kanal besteht aus einem Koaxialkabel mit der charakteristischen Kabeldämpfung $a_* = 80 \, {\rm dB}\Rightarrow 9.2 \, {\rm Np}$.
- Das Empfangsfilter sei ein Gaußtiefpass mit der Grenzfrequenz $f_{\rm G}$, die zu optimieren ist:
- $$H_{\rm G}(f) = {\rm e}^{{- \pi \cdot f^2}/{(2f_{\rm G})^2}}\hspace{0.05cm}.$$
- Am Kanalausgang liegt AWGN–Rauschen mit der Rauschleistungsdichte $N_0$ vor.
- Die Entscheiderschwellen sind optimal gewählt und auch der Detektionszeitpunkt $T_{\rm D} = 0$ ist bestmöglich.
Im Gegensatz zur Aufgabe 3.4Z $($feste Grenzfrequenz $f_{\rm G} = 30 \, {\rm MHz})$ ist hier die Grenzfrequenz des Tiefpasses variabel. Diese soll so bestimmt werden, dass das ungünstigste S/N–Verhältnis $\rho_{\rm U}$ maximiert und damit die (ungünstigste) Fehlerwahrscheinlichkeit $p_{\rm U}$ minimiert wird.
Die Tabelle zeigt
- die (normierte) halbe Augenöffnung und
- den (normierten) Detektionsrauscheffektivwert
für das Binärsystem $(M = 2)$ und das Quaternärsystem $(M = 4)$ sowie für verschiedene (normierte) Grenzfrequenzen. Die Normierung basiert dabei auf der Bitrate $R_{\rm B}$.
Anzumerken ist:
- Die Tabelle gilt für $E_{\rm B}/N_0 = 5 \cdot 10^8$ und $a_* = 80 \, {\rm dB}\Rightarrow 9.2 \, {\rm Np}$.
- Die (normierte) Rauchleistung ergibt sich unter Berücksichtigung des idealen Kanalentzerrers zu
- $$\frac{ \sigma_d^2}{N_{\rm 0} \cdot R_{\rm B}} = \frac{ 1}{R_{\rm B}} \cdot \int_{0}^{\infty}{\rm exp}\left [2 \cdot 9.2 \cdot \sqrt{2 \cdot f/R_{\rm B}} - 2\pi \cdot \frac{(f/R_{\rm B})^2}{(2 f_{\rm G}/R_{\rm B})^2} \right ]{\rm d} \hspace{0.05cm} f \hspace{0.05cm}.$$
- Wie in Aufgabe Aufgabe 3.4Z noch hergeleitet wird, gilt für die (normierte) halbe Augenöffnung:
- $$\frac{\ddot{o}(T_{\rm D})}{ 2 \cdot s_0} = \frac{1}{ M-1}\cdot \big [1- 2 \cdot M \cdot {\rm Q} \left( \sqrt{2\pi} \cdot {\rm log_2}\hspace{0.1cm}(M) \cdot {f_{\rm G}}/{R_{\rm B}} \right)\big] \hspace{0.05cm}.$$
- Damit kann für das ungünstigste S/N–Verhältnis geschrieben werden, wobei der letzte Term bei dem hier betrachteten NRZ–Rechteckimpuls als „Energie pro Bit bezogen auf die Rauschleistungsdichte” interpretiert werden kann:
- $$\rho_{\rm U} = \left [\frac{\ddot{o}(T_{\rm D})}{ 2 \cdot s_0} \right ]^2 \cdot \frac{N_{\rm 0} \cdot R_{\rm B}}{ \sigma_d^2} \cdot \frac{ s_0^2}{N_{\rm 0} \cdot R_{\rm B}} \hspace{0.05cm}.$$
Hinweise:
- Die Aufgabe gehört zum Kapitel "Impulsinterferenzen bei mehrstufiger Übertragung".
- In der Tabelle ist $\sigma_d/s_0$ angegeben, das heißt, dass hier der zweite und der dritte Term obiger Gleichung zusammengefasst sind.
- Durch Division des jeweils ersten Spaltenelements (normierte halbe Augenöffnung) durch das zweite in der Tabelle angegebene Element $(\sigma_d/s_0)$ und Quadrieren des Quotienten kommt man hier sehr einfach zum Ergebnis $\rho_{\rm U}$.
Fragebogen
Musterlösung
- $$M = 2, \hspace{0.1cm}f_{\rm G}/R_{\rm B} = 0.33\text{:} \hspace{0.2cm} \sigma_d/s_0 \ \hspace{0.15cm}\underline { = 0.047} \hspace{0.05cm},$$
- $$M = 4, \hspace{0.1cm}f_{\rm G}/R_{\rm B} = 0.28\text{:} \hspace{0.2cm} \sigma_d/s_0 \ \hspace{0.15cm}\underline { = 0.021} \hspace{0.05cm}.$$
(2) Die optimale Grenzfrequenz ist dann gegeben, wenn der Quotient aus (halber) Augenöffnung und Rauscheffektivwert maximal ist.
- Das Optimum ergibt sich beim Binärsystem für $f_{\rm G}/R_{\rm B} \ \underline {= 0.33}$:
- $$\rho_{\rm U,\hspace{0.05cm} max} = \frac{0.184^2}{ 0.047^2} = 15.32 \hspace{0.3cm}\Rightarrow \hspace{0.3cm} 10 \cdot {\rm lg}\hspace{0.1cm}\rho_{\rm U,\hspace{0.05cm} max}\hspace{0.15cm}\underline { = 11.85\,{\rm dB}} \hspace{0.05cm}.$$
- Dagegen gilt für die benachbarten Grenzfrequenzwerte:
- $$f_{\rm G}/R_{\rm B} = 0.32\text{:} \hspace{0.2cm}\rho_{\rm U} = \frac{0.155^2}{ 0.040^2} = 15.02 \hspace{0.3cm}\Rightarrow \hspace{0.3cm} 10 \cdot {\rm lg}\hspace{0.1cm}\rho_{\rm U} = 11.76\,{\rm dB} \hspace{0.05cm},$$
- $$f_{\rm G}/R_{\rm B} = 0.34 \text{:} \hspace{0.2cm}\rho_{\rm U} = \frac{0.212^2}{ 0.055^2} = 14.86 \hspace{0.3cm}\Rightarrow \hspace{0.3cm} 10 \cdot {\rm lg}\hspace{0.1cm}\rho_{\rm U} = 11.72\,{\rm dB} \hspace{0.05cm}.$$
- Hieraus erkennt man das – wenn auch flache – Optimum.
(3) Für $M = 4$ erhält man folgende Ergebnisse:
- $$f_{\rm G}/R_{\rm B} = 0.27 \text{:} \hspace{0.2cm}\rho_{\rm U} = \frac{0.097^2}{ 0.017^2} = 32.56 \hspace{0.3cm}\Rightarrow \hspace{0.3cm} 10 \cdot {\rm lg}\hspace{0.1cm}\rho_{\rm U} = 15.13\,{\rm dB} \hspace{0.05cm},$$
- $$f_{\rm G}/R_{\rm B} = 0.28 \text{:} \hspace{0.2cm}\rho_{\rm U} = \frac{0.121^2}{ 0.021^2} = 33.20 \hspace{0.3cm}\Rightarrow \hspace{0.3cm} 10 \cdot {\rm lg}\hspace{0.1cm}\rho_{\rm U} \hspace{0.15cm}\underline {= 15.21\,{\rm dB}} \hspace{0.05cm},$$
- $$f_{\rm G}/R_{\rm B} = 0.29 \text{:} \hspace{0.2cm}\rho_{\rm U} = \frac{0.139^2}{ 0.025^2} = 30.91 \hspace{0.3cm}\Rightarrow \hspace{0.3cm} 10 \cdot {\rm lg}\hspace{0.1cm}\rho_{\rm U} = 14.90\,{\rm dB} \hspace{0.05cm}.$$
- Die optimale Grenzfrequenz liegt demnach beim Quaternärsystem bei $f_{\rm G}/R_{\rm B} \underline {= 0.28}$.
- Der Störabstand ist dann um mehr als $3 \, {\rm dB}$ größer als beim Binärsystem mit optimierter Grenzfrequenz.
(4) Zutreffend sind die Aussagen 1, 3 und 4:
- Die Richtigkeit der ersten Aussage wird durch die Tabelle bestätigt. Für $f_{\rm G}/R_{\rm B} ≥ 0.35$ weist das Binärsystem eine größere Augenöffnung als das Quaternärsystem auf. Durch die Normierung aller Frequenzen auf die Bitrate ist zudem der Rauscheffektivwert unabhängig von der Stufenzahl $M$, so dass die Optimierung auf die Augenöffnung beschränkt werden kann.
- Für $f_{\rm G}/R_{\rm B} < 0.35$ ist dagegen das Quaternärsystem besser, also auch für $f_{\rm G}/R_{\rm B} = 0.33$. Obwohl diese Grenzfrequenz für $M = 2$ optimal ist und für $M = 4$ nicht, ist mit $f_{\rm G}/R_{\rm B} = 0.33$ das Quaternärsystem um etwa $0.85 \, {\rm dB}$ besser als das Binärsystem.
- Die dritte Aussage trifft zu. Durch die niedrigere (genauer gesagt: halbe) Symbolrate ist für $M = 4$ das Auge auch mit $f_{\rm G}/R_{\rm B} = 0.23$ noch geöffnet, während bei einem Binärsystem bereits für $f_{\rm G}/R_{\rm B} = 0.27$ ein (fast) geschlossenes Auge vorliegt.
- Mit größerer charakteristischer Kabeldämpfung geht die Tendenz zu immer kleinerer Grenzfrequenz, um die Anhebung des Rauschens möglichst gering zu halten. Wenn aber bereits bei $a_* = 80 \, {\rm dB}$ das (bezüglich der Grenzfrequenz optimierte) Quaternärsystem besser ist, so gilt das auch für $100 \, {\rm dB}$. Der Gewinn ist größer als $15.21 - 11.85 \approx 3.4 \, {\rm dB}$. Diese Werte wurden in den Aufgaben (2) und (3) ermittelt.
- Dagegen ist für die charakteristische Kabeldämpfung $a_* = 40 \, {\rm dB}$ anhand des vorliegenden Zahlenmaterials keine Aussage möglich. Eine Systemsimulation lieferte hierfür folgende Ergebnisse $($für $E_{\rm B}/N_0 = 50 \, {\rm dB})$:
- $$M =2\text{:} \hspace{0.2cm}10 \cdot {\rm lg}\hspace{0.1cm}\rho_{\rm U} = 15.43\,{\rm dB} \hspace{0.2cm}{\rm mit}\hspace{0.2cm} f_{\rm G}/R_{\rm B} \approx 0.4 \hspace{0.05cm},$$
- $$M =4\text{:} \hspace{0.2cm}10 \cdot {\rm lg}\hspace{0.1cm}\rho_{\rm U} = 14.65\,{\rm dB} \hspace{0.2cm}{\rm mit}\hspace{0.2cm} f_{\rm G}/R_{\rm B} \approx 0.32 \hspace{0.05cm}.$$