Grundlegendes zu den Produktcodes

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Grundstruktur eines Produktcodes


Die Grafik zeigt den prinzipiellen Aufbau von Produktcodes, die bereits 1954 von  Peter Elias  eingeführt wurden. Der hier dargestellte  zweidimensionale Produktcode  $\mathcal{C} = \mathcal{C}_1 × \mathcal{C}_2$  basiert auf den beiden linearen und binären Blockcodes mit den Parametern  $(n_1, \ k_1)$  bzw.  $(n_2, \ k_2)$. Die Codewortlänge ist  $n = n_1 \cdot n_2$.

Grundstruktur eines Produktcodes

Diese  $n$  Codebits lassen sich wie folgt gruppieren:

  • Die  $k = k_1 \cdot k_2$  Informationsbits sind in der  $k_2 × k_1$–Matrix  $\mathbf{U}$  angeordnet. Die Coderate ist gleich dem Produkt der Coderaten der beiden Basiscodes:
$$R = k/n = (k_1/n_1) \cdot (k_2/n_2) = R_1 \cdot R_2.$$
  • Die rechte obere Matrix  $\mathbf{P}^{(1)}$  mit der Dimension  $k_2 × m_1$  beinhaltet die Prüfbits  (englisch:   Parity) hinsichtlich des Codes  $\mathcal{C}_1$. In jeder der  $k_2$  Zeilen werden zu den  $k_1$ Informationsbits  $m_1 = n_1 - k_1$  Prüfbits hinzugefügt, wie in einem früheren Kapitel am Beispiel der  Hamming–Codes  beschrieben wurde.
  • Die linke untere Matrix  $\mathbf{P}^{(2)}$  der Dimension  $m_2 × k_1$  beinhaltet die Prüfbits für den zweiten Komponentencodes  $\mathcal{C}_2$. Hier erfolgt die Codierung (und auch die Decodierung) zeilenweise:   In jeder der  $k_1$  Spalten werden die  $k_2$  Informationsbits noch um  $m_2 = n_2 -k_2$  Prüfbits ergänzt.
  • Die  $m_2 × m_1$–Matrix  $\mathbf{P}^{(12)}$  rechts unten bezeichnet man als  Checks–on–Checks. Hier werden die beiden vorher erzeugten Parity–Matrizen  $\mathbf{P}^{(1)}$  und  $\mathbf{P}^{(2)}$  entsprechend den Prüfgleichungen verknüpft.

$\text{Fazit:}$  Alle Produktcodes entsprechend obiger Grafik weisen folgende Eigenschaften auf:

  • Bei linearen Komponentencodes  $\mathcal{C}_1$  und  $\mathcal{C}_2$  ist auch der Produktcode  $\mathcal{C} = \mathcal{C}_1 × \mathcal{C}_2$  linear.
  • Jede Zeile von  $\mathcal{C}$  gibt ein Codewort von  $\mathcal{C}_1$  wieder und jede Spalte ein Codewort von  $\mathcal{C}_2$.
  • Die Summe zweier Zeilen ergibt aufgrund der Linearität wieder ein Codewort von  $\mathcal{C}_1$.
  • Ebenso ergibt die Summe zweier Spalten ein gültiges Codewort von  $\mathcal{C}_2$.
  • Jeder Produktcodes beinhaltet auch das Nullwort  $\underline{0}$  (ein Vektor mit  $n$  Nullen).
  • Die minimale Distanz von  $C$  ist  $d_{\rm min} = d_1 \cdot d_2$, wobei  $d_i$  die minimale Distanz von  $\mathcal{C}_i$  angibt.

Iterative Syndromdecodierung von Produktcodes


Wir betrachten nun den Fall, dass ein Produktcode mit Matrix  $\mathbf{X}$  über einen Binärkanal übertragen wird. Die Empfangsmatrix sei  $\mathbf{Y} = \mathbf{X} + \mathbf{E}$, wobei  $\mathbf{E}$  die Fehlermatrix bezeichnet. Alle Elemente der Matrizen  $\mathbf{X}, \ \mathbf{E}$  und  $\mathbf{Y}$ seien binär, also  $0$  oder  $1$.

Für die Decodierung der beiden Komponentencodes bietet sich die Syndromdecodierung entsprechend dem Kapitel  Decodierung linearer Blockcodes  an.

Im zweidimensionalen Fall bedeutet dies:

  • Man decodiert zunächst die  $n_2$  Zeilen der Empfangsmatrix  $\mathbf{Y}$, basierend auf der Prüfmatrix  $\mathbf{H}_1$  des Komponentencodes  $\mathcal{C}_1$. Eine Möglichkeit hierfür ist die Syndromdecodierung.
  • Dazu bildet man jeweils das sogenannte Syndrom  $\underline{s} = \underline{y} \cdot \mathbf{H}_1^{\rm T}$, wobei der Vektor  $\underline{y}$  der Länge  $n_1$  die aktuelle Zeile von  $\mathbf{Y}$  angibt und „T” für „transponiert” steht. Entsprechend dem berechneten  $\underline{s}_{\mu}$  $($mit  $0 ≤ \mu < 2^{n_1 -k_1})$  findet man in einer vorbereiteten Syndromtabelle das zugehörige wahrscheinliche Fehlermuster  $\underline{e} = \underline{e}_{\mu}$.
  • Bei nur wenigen Fehlern innerhalb der Zeile stimmt dann  $\underline{y} + \underline{e}$  mit dem gesendeten Zeilenvektor  $\underline{x}$  überein. Sind zu viele Fehler aufgetreten, so kommt es allerdings zu Fehlkorrekturen.
  • Anschließend „syndromdecodiert” man die  $n_1$  Spalten der (korrigierten) Empfangsmatrix  $\mathbf{Y}\hspace{0.03cm}'$, diesmal basierend auf der (transponierten) Prüfmatrix  $\mathbf{H}_2^{\rm T}$  des Komponentencodes  $\mathcal{C}_2$. Hierzu bildet man das Syndrom  $\underline{s} = \underline{y}\hspace{0.03cm}' \cdot \mathbf{H}_2^{\rm T}$, wobei der Vektor  $\underline{y}\hspace{0.03cm}'$  der Länge  $n_2$  die betrachtete Spalte von  $\mathbf{Y}\hspace{0.03cm}'$  bezeichnet.
  • Aus einer zweiten Syndromtabelle $($gültig für den Code  $\mathcal{C}_2)$  findet man für das berechnete  $\underline{s}_{\mu}$  $($mit  $0 ≤ \mu < 2^{n_2 -k_2})$  das wahrscheinliche Fehlermuster $\underline{e} = \underline{e}_{\mu}$ der bearbeiteten Spalte. Nach Korrektur aller Spalten liegt die Marix  $\mathbf{Y}$  vor. Nun kann man wieder eine Zeilen– und anschließend eine Spaltendecodierung vornehmen   ⇒   zweite Iteration, und so weiter, und so fort.

$\text{Beispiel 1:}$  Zur Verdeutlichung des Decodieralgorithmuses betrachten wir wieder den  $(42, 12)$ Produktcode, basierend auf

  • dem Hammingcode  $\text{HC (7, 4, 3)}$   ⇒   Code  $\mathcal{C}_1$,
  • dem verkürzten Hammingcode  $\text{HC (6, 3, 3)}$   ⇒   Code  $\mathcal{C}_2$.


Die linke Grafik zeigt die Empfangsmatrix  $\mathbf{Y}$. Aus Darstellungsgründen wurde die Codermatrix  $\mathbf{X}$  zu einer  $6 × 7$–Nullmatrix gewählt, so dass die acht Einsen in  $\mathbf{Y}$  gleichzeitig Übertragungsfehler darstellen.

Zur Syndromdecodierung des  $(42, 12)$–Produktcodes

Die  zeilenweise Syndromdecodierung  geschieht über das Syndrom  $\underline{s} = \underline{y} \cdot \mathbf{H}_1^{\rm T}$  mit

$$\boldsymbol{\rm H}_1^{\rm T} = \begin{pmatrix} 1 &0 &1 \\ 1 &1 &0 \\ 0 &1 &1 \\ 1 &1 &1 \\ 1 &0 &0 \\ 0 &1 &0 \\ 0 &0 &1 \end{pmatrix} \hspace{0.05cm}. $$


Im Einzelnen:

Syndromtabelle für den Code $\mathcal{C}_1$
  • Zeile 1  ⇒  Einzelfehlerkorrektur ist erfolgreich (ebenso in den Zeilen 3,  4 und 6):
\[\underline{s} = \left ( 0, \hspace{0.02cm} 0, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0 \right ) \hspace{-0.03cm}\cdot \hspace{-0.03cm}{ \boldsymbol{\rm H} }_1^{\rm T} \hspace{-0.05cm}= \left ( 0, \hspace{0.03cm} 1, \hspace{0.03cm}1 \right ) = \underline{s}_3\]
\[\Rightarrow \hspace{0.3cm} \underline{y} + \underline{e}_3 = \left ( 0, \hspace{0.02cm} 0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0 \right ) \hspace{0.05cm}.\]
  • Zeile 2  (beinhaltet zwei Fehler)   ⇒   Fehlkorrektur bezüglich Bit 5:
\[\underline{s} = \left ( 1, \hspace{0.02cm} 0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}1 \right ) \hspace{-0.03cm}\cdot \hspace{-0.03cm}{ \boldsymbol{\rm H} }_1^{\rm T} \hspace{-0.05cm}= \left ( 1, \hspace{0.03cm} 0, \hspace{0.03cm}0 \right ) = \underline{s}_4\]
\[\Rightarrow \hspace{0.3cm} \underline{y} + \underline{e}_4 = \left ( 1, \hspace{0.02cm} 0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}1 \right ) \hspace{0.05cm}.\]
  • Zeile 5  (beinhaltet ebenfalls zwei Fehler)  ⇒  Fehlkorrektur bezüglich Bit 3:
\[\underline{s} = \left ( 0, \hspace{0.02cm} 0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0 \right ) \hspace{-0.03cm}\cdot \hspace{-0.03cm}{ \boldsymbol{\rm H} }_1^{\rm T} \hspace{-0.05cm}= \left ( 0, \hspace{0.03cm} 1, \hspace{0.03cm}1 \right ) = \underline{s}_3\]
\[\Rightarrow \hspace{0.3cm} \underline{y} + \underline{e}_3 = \left ( 0, \hspace{0.02cm} 0, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0 \right ) \hspace{0.05cm}.\]

Die spaltenweisen Syndromdecodierung entfernt alle Einzelfehler in den Spalten  1,  2,  3,  4  und  7.

Syndromtabelle für den Code $\mathcal{C}_2$
  • Spalte 5  (beinhaltet zwei Fehler)   ⇒   Fehlkorrektur bezüglich Bit 4:
\[\underline{s} = \left ( 0, \hspace{0.02cm} 1, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}0 \right ) \hspace{-0.03cm}\cdot \hspace{-0.03cm}{ \boldsymbol{\rm H} }_2^{\rm T} \hspace{-0.05cm}= \left ( 0, \hspace{0.02cm} 1, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}0 \right ) \hspace{-0.03cm}\cdot \hspace{-0.03cm} \begin{pmatrix} 1 &1 &0 \\ 1 &0 &1 \\ 0 &1 &1 \\ 1 &0 &0 \\ 0 &1 &0 \\ 0 &0 &1 \end{pmatrix} = \left ( 1, \hspace{0.03cm} 0, \hspace{0.03cm}0 \right ) = \underline{s}_4\]
\[\Rightarrow \hspace{0.3cm} \underline{y} + \underline{e}_4 = \left ( 0, \hspace{0.02cm} 1, \hspace{0.02cm}0, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}1, \hspace{0.02cm}0 \right ) \hspace{0.05cm}.\]

Die verbliebenen drei Fehler werden durch zeilenweise Decodierung der  zweiten Iterationsschleife  korrigiert.

Ob alle Fehler eines Blockes korrigierbar sind, hängt vom Fehlermuster ab. Hier verweisen wir auf die  Aufgabe 4.7.


Leistungsfähigkeit der Produktcodes


Die 1954 eingeführten  Produktcodes  waren die ersten Codes, die auf rekursiven Konstruktionsregeln basierten und somit grundsätzlich für die iterative Decodierung geeignet waren. Der Erfinder Peter Elias hat sich diesbezüglich zwar nicht geäußert, aber in den letzten zwanzig Jahren hat dieser Aspekt und die gleichzeitige Verfügbarkeit schneller Prozessoren dazu beigetragen, dass inzwischen auch Produktcodes in realen Kommunikationssystemen eingesetzt werden, zum Beispiel

  • beim Fehlerschutz von Speichermedien, und
  • bei Glasfasersystemen mit sehr hoher Datenrate.


Meist verwendet man sehr lange Produktcodes  $($großes  $n = n_1 \cdot n_2)$  mit folgender Konsequenz:

  • Anwendbar ist dagegen auch bei großem  $n$  die  iterative symbolweise MAP–Decodierung. Der Austausch von extrinsischer und Apriori–Information geschieht hier zwischen den beiden Komponentencodes. Genaueres hierüber findet man in  [Liv15][1].


Die Grafik zeigt für einen  $(1024, 676)$–Produktcode, basierend auf dem  Extended Hammingcode  ${\rm eHC} \ (32, 26)$  als Komponentencodes,

  • links die AWGN–Bitfehlerwahrscheinlichkeit in Abhängigkeit der Iterationen  $(I)$
  • rechts die Fehlerwahrscheinlichkeit der Blöcke (bzw. Codeworte).


Bit– und Blockfehlerwahrscheinlichkeit eines  $(1024, 676)$–Produktcodes bei AWGN

Hier noch einige ergänzende Bemerkungen:

  • Die Coderate beträgt  $R = R_1 \cdot R_2 = 0.66$, womit sich die Shannon–Grenze zu  $10 \cdot {\rm lg} \, (E_{\rm B}/N_0) \approx 1 \ \rm dB$  ergibt.
  • In der linken Grafik erkennt man den Einfluss der Iterationen. Beim Übergang von  $I = 1$  auf  $I=2$  gewinnt man ca.  $2 \ \rm dB$ $($bei der Bitfehlerrate  $10^{-5})$  und mit  $I = 10$  ein weiteres $\rm dB$. Weitere Iterationen lohnen sich nicht.
\[{\rm Pr(Truncated\hspace{0.15cm}Union\hspace{0.15cm} Bound)}= W_{d_{\rm min}} \cdot {\rm Q} \left ( \sqrt{d_{\rm min} \cdot {2R \cdot E_{\rm B}}/{N_0}} \right ) \hspace{0.05cm}.\]
  • Die minimale Distanz beträgt  $d_{\rm min} = d_1 \cdot d_2 = 4 \cdot 4 = 16$. Mit der Gewichtsfunktion des  ${\rm eHC} \ (32, 26)$,
\[W_{\rm eHC(32,\hspace{0.08cm}26)}(X) = 1 + 1240 \cdot X^{4} + 27776 \cdot X^{6}+ 330460 \cdot X^{8} + ...\hspace{0.05cm} + X^{32},\]
erhält man für den Produktcode  $W_{d, \ \rm min} = 1240^2 = 15\hspace{0.05cm}376\hspace{0.05cm}000$. Damit ergibt sich die in der rechten Grafik dargestellte Fehlerwahrscheinlichkeit.

Aufgaben zum Kapitel


Aufgabe 4.6: Generierung von Produktcodes

Aufgabe 4.6Z: Grundlagen der Produktcodes

Aufgabe 4.7: Decodierung von Produktcodes

Aufgabe 4.7Z: Zum Prinzip der Syndromdecodierung

Quellenverzeichnis

  1. Liva, G.: Channels Codes for Iterative Decoding. Vorlesungsmanuskript, Lehrstuhl für Nachrichtentechnik, TU München und DLR Oberpfaffenhofen, 2015.