Lineare zeitinvariante Systeme/Laplace–Rücktransformation: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 18. Oktober 2021, 09:37 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Problemstellung und Voraussetzungen
$\text{Aufgabenstellung:}$ Dieses Kapitel behandelt das folgende Problem:
- Bekannt ist die $p$–Spektralfunktion $Y_{\rm L}(p)$ in der Pol–Nullstellen–Form.
- Gesucht ist die Laplace–Rücktransformierte, also die dazugehörige Zeitfunktion $y(t)$, wobei folgende Notation gelten soll:
- $$y(t) = {\rm L}^{-1}\{Y_{\rm L}(p)\}\hspace{0.05cm} , \hspace{0.3cm}{\rm kurz}\hspace{0.3cm} y(t) \quad \circ\!\!-\!\!\!-^{\hspace{-0.25cm}\rm L}\!\!\!-\!\!\bullet\quad Y_{\rm L}(p)\hspace{0.05cm} .$$
In der Grafik sind die Voraussetzungen für diese Aufgabenstellung zusammengestellt.
- $H_{\rm L}(p)$ beschreibt das kausale Übertragungssystem und $Y_{\rm L}(p)$ gibt die Laplace–Transformierte des Ausgangssignals $y(t)$ unter Berücksichtigung des Eingangssignals $x(t)$ an. $Y_{\rm L}(p)$ ist gekennzeichnet durch $N$ Pole, durch $Z ≤ N$ Nullstellen sowie durch die Konstante $K.$
- Die Pole und Nullstellen zeigen die im letzten Kapitel genannten Eigenschaften: Pole dürfen nur in der linken $p$–Halbebene oder auf der imaginären Achse liegen, Nullstellen sind dagegen auch in der rechten $p$–Halbebene erlaubt.
- Alle Singularitäten – dies ist der Oberbegriff für Pole und Nullstellen – sind entweder reell oder es treten Paare von konjugiert–komplexen Singularitäten auf. Mehrfache Pole und Nullstellen sind erlaubt.
- Verwendet man das Eingangssignal $x(t) = δ(t)$ ⇒ $ X_{\rm L}(p) = 1 $ ⇒ $ Y_{\rm L}(p) = H_{\rm L}(p)$, so beschreibt $y(t)$ die Impulsantwort $h(t)$ des Übertragungssystems. Zur Berechnung dürfen hierfür nur die in der Grafik grün eingezeichneten Singularitäten herangezogen werden.
- Eine Sprungfunktion $x(t) = γ(t) \ \ ⇒ \ \ X_{\rm L} = 1/p$ am Eingang bewirkt, dass das Ausgangssignal $y(t)$ gleich der Sprungantwort $σ(t)$ von $H_{\rm L}(p)$ ist. Zur Berechnung ist neben den Singularitäten von $H_{\rm L}(p)$ nun auch die (in der Grafik rot eingezeichnete) Polstelle bei $p = 0$ zu berücksichtigen.
- Als Eingang $x(t)$ sind nur Signale möglich, für die $X_{ \rm L}(p)$ in Pol–Nullstellen–Form darstellbar ist (siehe Tabelle im Kapitel „Laplace–Transformation und $p$–Übertragungsfunktion”), zum Beispiel ein zum Zeitpunkt $t = 0$ eingeschaltetes Cosinus– oder Sinussignal.
- Bei der hier beschriebenen Vorgehensweise ist also ein Rechteck als Eingangssignal $x(t)\ \ ⇒ \ \ X_{\rm L}(p) = (1 - {\rm e}^{\hspace{0.05cm}p\hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm} T})/p$ nicht möglich. Die Rechteckantwort $y(t)$ kann aber als Differenz zweier Sprungantworten indirekt berechnet werden.
Einige Ergebnisse der Funktionentheorie
Im Gegensatz zu den Fourierintegralen, die sich in den beiden Transformationsrichtungen nur geringfügig unterscheiden, ist bei „Laplace” die Berechnung von $y(t)$ aus $Y_{\rm L}(p)$ – also die Rücktransformation –
- sehr viel schwieriger als die Berechnung von $Y_{\rm L}(p)$ aus $y(t)$,
- auf elementarem Weg nicht oder nur sehr umständlich lösbar.
$\text{Definition:}$ Allgemein gilt für die Laplace–Rücktransformation:
- $$y(t) = {\rm L}^{-1}\{Y_{\rm L}(p)\}= \lim_{\beta \hspace{0.05cm}\rightarrow \hspace{0.05cm}\infty} \hspace{0.15cm} \frac{1}{ {\rm j} \cdot 2 \pi}\cdot \int_{ \alpha - {\rm j} \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm}2 \pi \beta } ^{\alpha+{\rm j} \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm}2 \pi \beta} Y_{\rm L}(p) \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm} {\rm e}^{\hspace{0.05cm}p \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm} t}\hspace{0.1cm}{\rm d}p \hspace{0.05cm} .$$
- Die Integration erfolgt parallel zur imaginären Achse.
- Der Realteil $α$ ist so zu wählen, dass alle Pole links vom Integrationsweg liegen.
Die linke Grafik verdeutlicht dieses Linienintegral entlang der rot gepunkteten Vertikalen ${\rm Re}\{p\}= α$. Lösbar ist dieses Integral mit dem Jordanschen Lemma der Funktionstheorie. Hier folgt nur eine sehr kurze und einfache Zusammenfassung der Vorgehensweise:
- Das Linienintegral kann in zwei Kreisintegrale aufgeteilt werden, wobei sämtliche Polstellen im linken Kreisintegral liegen, während das rechte Kreisintegral nur Nullstellen beinhalten darf.
- Entsprechend der Funktionstheorie liefert das rechte Kreisintegral die Zeitfunktion $y(t)$ für negative Zeiten. Aufgrund der Kausalität ist $y(t < 0) \equiv 0$, sein. Dies trifft aber nur dann zu, wenn es in der rechten $p$–Halbebene keine Pole gibt.
- Das Integral über den linken Halbkreis liefert die Zeitfunktion für $t ≥ 0$. Dieses umschließt alle Pole und ist mit dem Residuensatz in (relativ) einfacher Weise berechenbar, wie auf den nächsten Seiten gezeigt wird.
Formulierung des Residuensatzes
Es wird weiter vorausgesetzt, dass die Übertragungsfunktion $Y_{\rm L}(p)$ in Pol–Nullstellen–Form durch
- den konstanten Faktor $K$,
- die $Z$ Nullstellen $p_{{\rm o}i}$ $(i = 1$, ... , $Z)$ und
- die $N$ Polstellen $p_{{\rm x}i}$ $(i = 1$, ... , $N$)
dargestellt werden kann. Wir setzen zudem $Z < N$ voraus.
Die Anzahl der unterscheidbaren Pole bezeichnen wir mit $I$. Zur Bestimung von $I$ werden mehrfache Pole nur einfach gezählt. So gilt für die Skizze im letzten Abschnitt (unter Berücksichtigung des Poles bei $p=0$) aufgrund der doppelten Polstelle: $N = 5$ und $I = 4$.
$\text{Residuensatz:}$ Unter den genannten Voraussetzungen ergibt sich die Laplace–Rücktransformierte von $Y_{\rm L}(p)$ für Zeiten $t ≥ 0$ als die Summe von $I$ Eigenschwingungen der Pole, die man als die Residuen – abgekürzt mit „Res” – bezeichnet:
- $$y(t) = \sum_{i=1}^{I}{\rm Res} \bigg \vert _{p \hspace{0.05cm}= \hspace{0.05cm}p_{{\rm x}_i}} \hspace{-0.7cm}\{Y_{\rm L}(p)\cdot {\rm e}^{p \hspace{0.05cm}t}\} \hspace{0.05cm} .$$
Da $Y_{\rm L}(p)$ nur für kausale Signale angebbar ist, gilt für negative Zeiten stets $y(t < 0) = 0$.
- Für einen Pol der Vielfachheit $l$ gilt allgemein:
- $${\rm Res} \bigg \vert _{p \hspace{0.05cm}= \hspace{0.05cm}p_{ {\rm x}_i} } \hspace{-0.7cm}\{Y_{\rm L}(p)\cdot {\rm e}^{p t}\}= \frac{1}{(l-1)!}\cdot \frac{ {\rm d}^{\hspace{0.05cm}l-1} }{ {\rm d}p^{\hspace{0.05cm}l-1} }\hspace{0.15cm} \left \{Y_{\rm L}(p)\cdot (p - p_{ {\rm x}_i})^{\hspace{0.05cm}l}\cdot {\rm e}^{p \hspace{0.05cm}t}\right\} \bigg \vert_{p \hspace{0.05cm}= \hspace{0.05cm}p_{ {\rm x}_i} } \hspace{0.05cm} .$$
- Als Sonderfall ergibt sich daraus mit $l = 1$ für einen einfachen Pol:
- $${\rm Res} \bigg\vert_{p \hspace{0.05cm}= \hspace{0.05cm}p_{ {\rm x}_i} } \hspace{-0.7cm}\{Y_{\rm L}(p)\cdot {\rm e}^{p t}\}= Y_{\rm L}(p)\cdot (p - p_{ {\rm x}_i} )\cdot {\rm e}^{p \hspace{0.05cm}t} \bigg \vert _{p \hspace{0.05cm}= \hspace{0.05cm}p_{ {\rm x}_i} } \hspace{0.05cm} .$$
Auf den nächsten Seiten wird der Residuensatz anhand dreier ausführlicher Beispiele verdeutlicht, die mit den drei Konstellationen im $\text{Beispiel 3}$ im Kapitel „Laplace–Transformation” korrespondieren:
- Wir betrachten also wieder den Vierpol mit einer Induktivität $L = 25 \ \rm µH$ im Längszweig sowie im Querzweig die Serienschaltung aus einem Ohmschen Widerstand $R = 50 \ \rm Ω$ und einer Kapazität $C$.
- Für Letztere betrachten wir wieder drei verschiedene Werte, nämlich $C = 62.5 \ \rm nF$, $C = 8 \ \rm nF$ und $C = 40 \ \rm nF$.
- Vorausgesetzt ist stets $x(t) = δ(t) \; ⇒ \; X_{\rm L}(p) = 1$ ⇒ $Y_{\rm L}(p) = H_{\rm L}(p)$ ⇒ $y(t)$ ist gleich der Impulsantwort $h(t)$.
Aperiodisch abklingende Impulsantwort
Mit der Kapazität $C = 62.5 \ \rm nF$ und den weiteren in der unteren Grafik angegebenen Zahlenwerten erhält man für die auf der Seite Pol–Nullstellen–Darstellung von Schaltungen berechnete $p$–Übertragungsfunktion:
- $$H_{\rm L}(p)= K \cdot \frac {p - p_{\rm o }} {(p - p_{\rm x 1})(p - p_{\rm x 2})}= 2 \cdot \frac {p + 0.32 } {(p +0.4)(p +1.6 )} \hspace{0.05cm} .$$
Beachten Sie bitte die Normierung von $p$, $K$ sowie aller Pole und Nullstellen mit dem Faktor ${\rm 10^6} · 1/\rm s$.
Die Impulsantwort setzt sich aus $I = N = 2$ Eigenschwingungen zusammen. Für $t < 0$ sind diese gleich Null.
- Das Residium des Pols bei $p_{{\rm x}1} =\ –0.4$ liefert folgende Zeitfunktion:
- $$h_1(t) = {\rm Res} \bigg |_{p \hspace{0.05cm}= \hspace{0.05cm}p_{{\rm x}1}} \hspace{-0.7cm}\{H_{\rm L}(p)\cdot {\rm e}^{p t}\}= H_{\rm L}(p)\cdot (p - p_{{\rm x}1})\cdot {\rm e}^{p \hspace{0.05cm}t} \bigg |_{p \hspace{0.05cm}= \hspace{0.05cm}p_{{\rm x}1}}$$
- $$\Rightarrow \hspace{0.3cm}h_1(t) = 2 \cdot \frac {p + 0.32 } {p +0.4}\cdot {\rm e}^{p \hspace{0.05cm}t} \bigg |_{p \hspace{0.05cm}= \hspace{0.05cm}-0.4}= - \frac {2 } {15}\cdot {\rm e}^{-0.4 \hspace{0.05cm} t} \hspace{0.05cm}. $$
- Für das Residium des zweiten Pols bei $p_{{\rm x}2} = \ –1.6$ gilt:
- $$h_2(t) = {\rm Res} \bigg |_{p \hspace{0.05cm}= \hspace{0.05cm}p_{{\rm x}2}} \hspace{-0.7cm}\{H_{\rm L}(p)\cdot {\rm e}^{p t}\}= H_{\rm L}(p)\cdot (p - p_{{\rm x}2})\cdot {\rm e}^{p \hspace{0.05cm}t} \bigg |_{p \hspace{0.05cm}= \hspace{0.05cm}p_{{\rm x}2}}$$
- $$\Rightarrow \hspace{0.3cm}h_2(t) = 2 \cdot \frac {p + 0.32 } {p +1.6}\cdot {\rm e}^{p \hspace{0.05cm}t} \bigg |_{p \hspace{0.05cm}= \hspace{0.05cm}-1.6}= \frac {32 } {15}\cdot {\rm e}^{-1.6 \hspace{0.05cm} t} \hspace{0.05cm}. $$
Die Grafik zeigt $h_1(t)$ und $h_2(t)$ sowie das Summensignal $h(t)$.
- Berücksichtigt ist auch hier der Normierungsfaktor $1/T = 10^6 · \rm 1/s$, so dass die Zeit auf $T = 1 \ \rm µ s$ normiert ist.
- Für $t =0$ ergibt sich $T \cdot h(t=0) = {32 }/ {15} -{2 }/ {15}= 2 \hspace{0.05cm}$.
- Für Zeiten $t > 2 \ \rm µ s$ ist die Impulsantwort negativ (wenn auch nur geringfügig und in der Grafik nur schwer zu erkennen).
Gedämpft oszillierende Impulsantwort
Die Bauelementewerte $R = 50 \ \rm Ω$, $L = 25 \ \rm µ H$ und $C = 8 \ \rm nF$ ergeben zwei konjugiert komplexe Pole bei $p_{{\rm x}1} = \ –1 + {\rm j} · 2$ und $p_{{\rm x}2} = \ –1 - {\rm j} · 2$.
- Die Nullstelle liegt bei $p_{\rm o} = \ –2.5$.
- Es gilt $K = 2$ und alle Zahlenwerte sind wieder mit dem Faktor $1/T$ zu multiplizieren $(T = 1\ \rm µ s$).
Wendet man den Residuensatz auf diese Konfiguration an, so erhält man:
- $$h_1(t) = K \cdot \frac {p_{\rm x 1} - p_{\rm o }} {p_{\rm x 1} - p_{\rm x 2}} \cdot {\rm e}^{\hspace{0.05cm}p_{\rm x 1} \cdot \hspace{0.05cm}t} $$
- $$\Rightarrow \hspace{0.3cm}h_1(t) = 2 \cdot \frac {-1 + {\rm j}\cdot 2 +2.5} {(-1 + {\rm j}\cdot 2) - (-1 - {\rm j}\cdot 2)}\cdot {\rm e}^{\hspace{0.05cm}p_{\rm x 1} \cdot\hspace{0.05cm}t}$$
- $$\Rightarrow \hspace{0.3cm}h_1(t) = 2 \cdot \frac {1.5 + {\rm j}\cdot 2} {{\rm j}\cdot 4}\cdot {\rm e}^{\hspace{0.05cm}p_{\rm x 1} \cdot\hspace{0.05cm}t}= (1 - {\rm j}\cdot 0.75)\cdot {\rm e}^{-t}\cdot {\rm e}^{\hspace{0.03cm}{\rm j}\hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm} 2t} \hspace{0.05cm} ,$$
- $$ h_2(t) = K \cdot \frac {p_{\rm x 2} - p_{\rm o }} {p_{\rm x 2} - p_{\rm x 1}}\cdot {\rm e}^{\hspace{0.05cm}p_{\rm x 2} \hspace{0.03cm}\cdot \hspace{0.05cm}t} $$
- $$\Rightarrow \hspace{0.3cm} h_2(t) = 2 \cdot \frac {-1 - {\rm j}\cdot 2 +2.5} {(-1 - {\rm j}\cdot 2) - (-1 + {\rm j}\cdot 2)}\cdot {\rm e}^{\hspace{0.05cm}p_{\rm x 2} \hspace{0.03cm}\cdot\hspace{0.05cm}t} $$
- $$\Rightarrow \hspace{0.3cm}h_2(t) =2 \cdot \frac {1.5 - {\rm j}\cdot 2} {-{\rm j}\cdot 4}\cdot {\rm e}^{\hspace{0.05cm}p_{\rm x 2} \hspace{0.03cm}\cdot\hspace{0.05cm}t}= (1 + {\rm j}\cdot 0.75)\cdot {\rm e}^{-t}\cdot {\rm e}^{\hspace{0.03cm}-{\rm j}\hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm} 2t} $$
- $$\Rightarrow \hspace{0.3cm}h_2(t) = (1 + {\rm j}\cdot 0.75)\cdot {\rm e}^{-t}\cdot {\rm e}^{\hspace{0.03cm}-{\rm j}\hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm} 2t} \hspace{0.05cm} . $$
Mit dem Satz von Euler ergibt sich somit für das Summensignal:
- $$h(t) = h_1(t) + h_2(t)\hspace{0.3cm} \Rightarrow \hspace{0.3cm}h(t) = {\rm e}^{-t}\cdot \big [ (1 - {\rm j}\cdot 0.75)\cdot (\cos() + {\rm j}\cdot \sin())+ + (1 + {\rm j}\cdot 0.75)\cdot (\cos() - {\rm j}\cdot \sin())\big ]$$
- $$\Rightarrow \hspace{0.3cm}h(t) ={\rm e}^{-t}\cdot \big [ 2\cdot \cos(2t) + 1.5 \cdot \sin(2t)\big ]\hspace{0.05cm} . $$
Die Grafik zeigt die nun mit ${\rm e}^{–t}$ gedämpft oszillierende Impulsantwort $h(t)$ für diese Pol–Nullstellen–Konfiguration.
Aperiodischer Grenzfall
Mit $R = 50 \ \rm Ω$, $L = 25 \ \rm µ H$ und $C = 40 \ \rm nF$ ergibt sich der so genannte aperiodische Grenzfall:
- $$H_{\rm L}(p)= K \cdot \frac {p - p_{\rm o }} {(p - p_{\rm x })^2}= 2 \cdot \frac {p + 0.5 } {(p +1)^2} \hspace{0.05cm} .$$
Der Kapazitätswert $C = 40 \ \rm nF$ ist der kleinstmögliche Wert, für den sich gerade noch reelle Polstellen ergeben. Diese fallen zusammen, das heißt $p_{\rm x} = \ –1$ ist eine doppelte Polstelle. Die Zeitfunktion lautet somit entsprechend dem Residuensatz mit $l = 2$:
- $$h(t) = {\rm Res} \bigg |_{p \hspace{0.05cm}= \hspace{0.05cm}p_{ {\rm x} } } \hspace{-0.7cm}\{H_{\rm L}(p)\cdot {\rm e}^{p t}\}= \frac{ {\rm d} }{ {\rm d}p}\hspace{0.15cm} \left \{H_{\rm L}(p)\cdot (p - p_{ {\rm x} })^2\cdot {\rm e}^{p \hspace{0.05cm}t}\right\} \bigg |_{p \hspace{0.05cm}= \hspace{0.05cm}p_{ {\rm x} } } = K \cdot \frac{ {\rm d} }{ {\rm d}p}\hspace{0.15cm}\left \{ (p - p_{ {\rm o} })\cdot {\rm e}^{p \hspace{0.05cm}t}\right\} \bigg |_{p \hspace{0.05cm}= \hspace{0.05cm}p_{ {\rm x} } } \hspace{0.05cm} .$$
Mit der Produktregel der Differentialrechnung ergibt sich daraus:
- $$h(t) = K \cdot \left [ {\rm e}^{p \hspace{0.05cm}t} + (p - p_{ {\rm o} })\cdot t \cdot {\rm e}^{p \hspace{0.05cm}t} \right ] \bigg |_{p \hspace{0.05cm}= \hspace{0.05cm}-1} = {\rm e}^{-t}\cdot \left ( 2 - t \right) \hspace{0.05cm} .$$
- Die Grafik zeigt diese Impulsantwort als grüne Kurve in normierter Darstellung. Sie unterscheidet sich von derjenigen mit den beiden unterschiedlichen Polen bei $-0.4$ und $-1.6$ nur geringfügig.
- Das rot gezeichnete Signal $y(t) = 1 - {\rm e}^{-t} + t \cdot {\rm e}^{-t}$ ergibt sich, wenn am Eingang zusätzlich eine Sprungfunktion berücksichtigt wird.
Zur Berechnung der Sprungantwort $\sigma(t) = y(t)$ kann man alternativ
- bei der Residuenberechnung einen zusätzlichen Pol bei $p = 0$ (rot markiert) berücksichtigen, oder
- das Integral über die Impulsantwort $h(t)$ bilden.
Partialbruchzerlegung
Voraussetzung für die Anwendung des Residuensatzes ist, dass es weniger Nullstellen als Pole gibt ⇒ $Z$ muss stets kleiner als $N$ sein.
Gilt dagegen wie bei einem Hochpass $Z = N$, so
- ist der Grenzwert der Spektralfunktion für großes $p$ ungleich Null,
- beinhaltet das zugehörige Zeitsignal $y(t)$ auch einen Diracimpuls,
- versagt der Residuensatz und es ist eine Partialbruchzerlegung vorzunehmen.
Die Vorgehensweise soll beispielhaft für einen Hochpass erster Ordnung verdeutlicht werden.
$\text{Beispiel 1:}$ Die $p$–Übertragungsfunktion eines RC–Hochpasses erster Ordnung kann durch Abspaltung einer Konstanten wie folgt umgewandelt werden:
- $$\frac{p}{p + RC} = 1- \frac{RC}{p + RC}\hspace{0.05cm} .$$
Damit lautet die Hochpass–Impulsantwort:
- $$h_{\rm HP}(t) = \delta(t) - h_{\rm TP}(t) \hspace{0.05cm} .$$
Die Grafik zeigt
- als rote Kurve die Hochpass–Impulsantwort $h_{\rm HP}(t)$,
- als blaue Kurve die Impulsantwort $h_{\rm TP}(t)$ des äquivalenten Tiefpasses.
Die Diracfunktion ist die Laplace–Transformierte des konstanten Wertes $1$, während die zweite, zu subtrahierende Funktion die Impulsantwort des äquivalenten Tiefpasses angibt, die mit $Z = 0$, $N =1$ und $K = RC$ durch den Residuensatz angebbar ist.
Aufgaben zum Kapitel
Aufgabe 3.5: Schaltung mit R, L und C
Aufgabe 3.5Z: Anwendung des Residuensatzes
Aufgabe 3.6: Einschwingverhalten
Aufgabe 3.6Z: Zwei imaginäre Pole
Aufgabe 3.7: Hochpass-Impulsantwort
Aufgabe 3.7Z: Partialbruchzerlegung