Momente einer diskreten Zufallsgröße
Inhaltsverzeichnis
Berechnung als Schar- bzw. Zeitmittelwert
Die Wahrscheinlichkeiten und die relativen Häufigkeiten liefern weitreichende Informationen über eine diskrete Zufallsgröße.
Reduzierte Informationen erhält man durch die so genannten Momente $m_k$, wobei $k$ eine natürliche Zahl darstellt.
$\text{Zwei alternative Berechnungsmöglichkeiten:}$
Unter der hier stillschweigend vorausgesetzten Bedingung "Ergodizität" gibt es für das Moment $k$-ter Ordnung zwei unterschiedliche Berechnungsmöglichkeiten:
- die Scharmittelung bzw. "Erwartungswertbildung" ⇒ Mittelung über alle möglichen Werte $\{ z_\mu\}$ mit der Laufvariablen $\mu = 1 , \hspace{0.1cm}\text{ ...} \hspace{0.1cm} , M$:
- $$m_k = {\rm E} \big[z^k \big] = \sum_{\mu = 1}^{M}p_\mu \cdot z_\mu^k \hspace{2cm} \rm mit \hspace{0.1cm} {\rm E\big[\text{ ...} \big]\hspace{-0.1cm}:} \hspace{0.3cm} \rm Erwartungswert ;$$
- die Zeitmittelung über die Zufallsfolge $\langle z_ν\rangle$ mit der Laufvariablen $ν = 1 , \hspace{0.1cm}\text{ ...} \hspace{0.1cm} , N$:
- $$m_k=\overline{z_\nu^k}=\hspace{0.01cm}\lim_{N\to\infty}\frac{1}{N}\sum_{\nu=\rm 1}^{\it N}z_\nu^k\hspace{1.7cm}\rm mit\hspace{0.1cm}\ddot{u}berstreichender\hspace{0.1cm}Linie\hspace{-0.1cm}:\hspace{0.1cm}Zeitmittelwert.$$
Anzumerken ist:
- Beide Berechnungsarten führen bei genügend großen Werten von $N$ zum gleichen asymptotischen Ergebnis.
- Bei endlichem $N$ ergibt sich ein vergleichbarer Fehler, als wenn die Wahrscheinlichkeit durch die relative Häufigkeit angenähert wird.
Moment erster Ordnung – Linearer Mittelwert – Gleichanteil
$\text{Definition:}$ Mit $k = 1$ erhält man aus der allgemeinen Gleichung das Moment erster Ordnung ⇒ den linearen Mittelwert:
- $$m_1 =\sum_{\mu=1}^{M}p_\mu\cdot z_\mu =\lim_{N\to\infty}\frac{1}{N}\sum_{\nu=1}^{N}z_\nu.$$
- Der linke Teil dieser Gleichung beschreibt die Scharmittelung (über alle möglichen Werte),
- während die rechte Gleichung die Bestimmung als Zeitmittelwert angibt.
- In Zusammenhang mit Signalen wird diese Größe auch als der Gleichanteil bezeichnet.
$\text{Beispiel 1:}$ Ein Binärsignal $x(t)$ mit den beiden möglichen Amplitudenwerten
- $1\hspace{0.03cm}\rm V$ $($für das Symbol $\rm L)$,
- $3\hspace{0.03cm}\rm V$ $($für das Symbol $\rm H)$
sowie den Auftrittswahrscheinlichkeiten $p_{\rm L} = 0.2$ bzw. $p_{\rm H} = 0.8$ besitzt den linearen Mittelwert (Gleichanteil )
- $$m_1 = 0.2 \cdot 1\,{\rm V}+ 0.8 \cdot 3\,{\rm V}= 2.6 \,{\rm V}. $$
Dieser ist in der Grafik als rote Linie eingezeichnet.
Bestimmt man diese Kenngröße durch Zeitmittelung über die dargestellten $N = 12$ Signalwerte, so erhält man einen etwas kleineren Wert:
- $$m_1\hspace{0.01cm}' = 4/12 \cdot 1\,{\rm V}+ 8/12 \cdot 3\,{\rm V}= 2.33 \,{\rm V}. $$
Hier wurden die Auftrittswahrscheinlichkeiten $p_{\rm L} = 0.2$ bzw. $p_{\rm H} = 0.8$ durch die entsprechenden Häufigkeiten $h_{\rm L} = 4/12$ und $h_{\rm H} = 8/12$ ersetzt. Der relative Fehler aufgrund der unzureichenden Folgenlänge $N$ ist im Beispiel größer als $10\%$.
$\text{Hinweis zu unserer (zugegebenermaßen etwas ungewöhnlicher) Nomenklatur:}$
Wir bezeichnen hier Binärsymbole wie in der Schaltungstechnik mit $\rm L$ ("Low") und $\rm H$ ("High"), um Verwechslungen zu vermeiden.
- In der Codierungstheorie wird sinnvollerweise $\{ \text{L, H}\}$ auf $\{0, 1\}$ abgebildet, um die Möglichkeiten der Modulo-Algebra nutzen zu können.
- Zur Beschreibung der Modulation mit bipolaren (antipodalen) Signalen wählt man dagegen besser die Zuordnung $\{ \text{L, H}\}$ ⇔ $ \{-1, +1\}$.
Moment zweiter Ordnung – Leistung – Varianz – Streuung
$\text{Definitionen:}$
- Analog zum linearen Mittelwert erhält man mit $k = 2$ für das Moment zweiter Ordnung ⇒ der quadratische Mittelwert:
- $$m_2 =\sum_{\mu=\rm 1}^{\it M}p_\mu\cdot z_\mu^2 =\lim_{N\to\infty}\frac{\rm 1}{\it N}\sum_{\nu=\rm 1}^{\it N}z_\nu^2.$$
- Zusammen mit dem Gleichanteil $m_1$ kann daraus als weitere Kenngröße die Varianz $σ^2$ bestimmt werden ("Satz von Steiner"):
- $$\sigma^2=m_2-m_1^2.$$
- Als Streuung $σ$ bezeichnet man in der Statistik die Quadratwurzel der Varianz; manchmal wird diese Größe auch "Standardabweichung" genannt:
- $$\sigma=\sqrt{m_2-m_1^2}.$$
$\text{Hinweise zu den Einheiten:}$
- Bei Nachrichtensignalen gibt $m_2$ die gesamte Leistung (Gleichleistung plus Wechselleitung) eines Zufallssignals an, bezogen auf den Widerstand $1 \hspace{0.03cm} Ω$.
- Beschreibt $z$ eine Spannung, so besitzt dementsprechend $m_2$ die Einheit ${\rm V}^2$.
- Die Varianz $σ^2$ eines Zufallssignals entspricht physikalisch der "Wechselleistung" und die Streuung $σ$ dem "Effektivwert".
- Diesen Definitionen liegt wiederum der Bezugswiderstand $1 \hspace{0.03cm} Ω$ zugrunde.
Das Lernvideo Momentenberechnung bei diskreten Zufallsgrößen verdeutlicht die definierten Größen am Beispiel eines Digitalsignals.
$\text{Beispiel 2:}$ Ein Binärsignal $x(t)$ mit den Amplitudenwerten
- $1\hspace{0.03cm}\rm V$ $($für das Symbol $\rm L)$,
- $3\hspace{0.03cm}\rm V$ $($für das Symbol $\rm H)$
sowie den Auftrittswahrscheinlichkeiten $p_{\rm L} = 0.2$ bzw. $p_{\rm H} = 0.8$ besitzt die gesamte Signalleistung
- $$P_{\rm Gesamt} = 0.2 \cdot (1\,{\rm V})^2+ 0.8 \cdot (3\,{\rm V})^2 = 7.4 \hspace{0.05cm}{\rm V}^2,$$
wenn man vom Bezugswiderstand $R = 1 \hspace{0.05cm} Ω$ ausgeht.
Mit dem Gleichanteil $m_1 = 2.6 \hspace{0.05cm}\rm V$ $($siehe $\text{Beispiel 1})$ folgt daraus für
- die Varianz $ σ^2 = 7.4 \hspace{0.05cm}{\rm V}^2 - \big [2.6 \hspace{0.05cm}\rm V\big ]^2 = 0.64\hspace{0.05cm} {\rm V}^2$,
- die Wechselleistung $P_{\rm W} = 0.64\hspace{0.05cm} {\rm W}$,
- den Effektivwert $s_{\rm eff} = σ = 0.8 \hspace{0.05cm} \rm V$.
- Einschub: Bei anderem Bezugswiderstand ⇒ $R \ne 1 \hspace{0.1cm} Ω$ gelten nicht alle diese Berechnungen. Beispielsweise haben mit $R = 50 \hspace{0.1cm} Ω$ die Leistung $P_{\rm Gesamt} $, die Wechselleistung $P_{\rm W}$ und der Effektivwert $s_{\rm eff}$ folgende physikalische Werte:
- $$P_{\rm Gesamt} \hspace{-0.05cm}= \hspace{-0.05cm} \frac{m_2}{R} \hspace{-0.05cm}= \hspace{-0.05cm} \frac{7.4\,{\rm V}^2}{50\,{\rm \Omega} } \hspace{-0.05cm}= \hspace{-0.05cm}0.148\,{\rm W},\hspace{0.5cm} P_{\rm W} \hspace{-0.05cm} = \hspace{-0.05cm} \frac{\sigma^2}{R} \hspace{-0.05cm}= \hspace{-0.05cm}12.8\,{\rm mW} \hspace{0.05cm},\hspace{0.5cm} s_{\rm eff} \hspace{-0.05cm} = \hspace{-0.05cm}\sqrt{R \cdot P_{\rm W} } \hspace{-0.05cm}= \hspace{-0.05cm} \sigma \hspace{-0.05cm}= \hspace{-0.05cm} 0.8\,{\rm V}.$$
- Einschub: Bei anderem Bezugswiderstand ⇒ $R \ne 1 \hspace{0.1cm} Ω$ gelten nicht alle diese Berechnungen. Beispielsweise haben mit $R = 50 \hspace{0.1cm} Ω$ die Leistung $P_{\rm Gesamt} $, die Wechselleistung $P_{\rm W}$ und der Effektivwert $s_{\rm eff}$ folgende physikalische Werte:
Die gleiche Varianz und der gleiche Effektivwert $s_{\rm eff}$ ergeben sich für die Amplituden $0\hspace{0.05cm}\rm V$ $($für das Symbol $\rm L)$ und $2\hspace{0.05cm}\rm V$ $($für das Symbol $\rm H)$, vorausgesetzt, die Auftrittswahrscheinlichkeiten $p_{\rm L} = 0.2$ und $p_{\rm H} = 0.8$ bleiben gleich. Nur der Gleichanteil und die Gesamtleistung ändern sich:
- $$m_1 = 1.6 \hspace{0.05cm}{\rm V}, \hspace{0.5cm}P_{\rm Gesamt} = {m_1}^2 +\sigma^2 = 3.2 \hspace{0.05cm}{\rm V}^2.$$
Aufgaben zum Kapitel
Aufgabe 2.2: Mehrstufensignale
Aufgabe 2.2Z: Diskrete Zufallsgrößen