Struktur des optimalen Empfängers
Inhaltsverzeichnis
Blockschaltbild und Voraussetzungen
In diesem Kapitel wird die Struktur des optimalen Empfängers eines digitalen Übertragungssystems sehr allgemein hergeleitet, wobei
- das Modulationsverfahren und weitere Systemdetails nicht weiter spezifiziert werden,
- von den Basisfunktionen und der Signalraumdarstellung gemäß Kapitel 4.1 ausgegangen wird..
Zum obigen Blockschaltbild ist anzumerken:
- Der Symbolumfang der Quelle beträgt M und der Symbolvorrat ist {mi} mit i = 0, ... , M – 1. Die zugehörigen Symbolwahrscheinlichkeiten Pr(m = mi) seien auch dem Empfänger bekannt.
- Zur Nachrichtenübertragung stehen M verschiedene Signalformen si(t) zur Verfügung, wobei für die Laufvariable ebenfalls die Indizierung i = 0, ... , M – 1 gelten soll.
- Es besteht eine feste Beziehung zwischen den Nachrichten {mi} und den Signalen {si(t)}. Wird die Nachricht m = mi übertragen, so ist das Sendesignal s(t) = si(t).
- Lineare Kanalverzerrungen sind in der obigen Grafik durch die Impulsantwort h(t) berücksichtigt. Außerdem ist ein (irgendwie geartetes) Rauschen n(t) wirksam.
- Mit diesen beiden die Übertragung störenden Effekten lässt sich das am Empfänger ankommende Signal r(t) in folgender Weise angeben:
- \[r(t) = s(t) \star h(t) + n(t) \hspace{0.05cm}.\]
- Aufgabe des (optimalen) Empfängers ist es, anhand seines Eingangssignals r(t) herauszufinden, welche der M möglichen Nachrichten mi – bzw. welches der Signale si(t) – gesendet wurde.
- Der vom Empfänger gefundene Schätzwert für m wird in Gleichungen durch ein „Circonflexe” (^) gekennzeichnet. Im Fließtext (HTML–Zeichensatz) ist diese Darstellung leider nicht möglich.
- Man spricht von einem optimalen Empfänger, wenn die Symbolfehlerwahrscheinlichkeit den für die Randbedingungen kleinstmöglichsten Wert annimmt:
- \[p_{\rm S} = {\rm Pr} ({\cal E}) = {\rm Pr} ( \hat{m} \ne m) \hspace{0.15cm} \Rightarrow \hspace{0.15cm}{\rm Minimum} \hspace{0.05cm}.\]
Hinweis: Im Folgenden wird meist r(t) = s(t) + n(t) vorausgesetzt, was bedeutet, dass h(t) = δ(t) als verzerrungsfrei angenommen wird. Andernfalls könnten wir die Signale si(t) als s'i(t) = si(t) ∗ h(t) neu definieren, also die deterministischen Kanalverzerrungen dem Sendesignal beaufschlagen.
Fundamentaler Ansatz zum optimalen Empfängerentwurf (1)
Gegenüber dem auf der vorherigen Seite gezeigten Blockschaltbild führen wir nun einige wesentliche Verallgemeinerungen durch:
- Der Übertragungskanal wird durch die bedingte Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion pr(t)|s(t) beschrieben, welche die Anhängigkeit des Empfangssignals r(t) vom Sendesignal s(t) festlegt.
- Wurde nun ein ganz bestimmtes Signal r(t) = ρ(t) empfangen, so hat der Empfänger die Aufgabe, anhand dieses Signals ρ(t) sowie der M bedingten Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen
- \[p_{r(t) | s(t) } (\rho(t) | s_i(t))\hspace{0.2cm}{\rm mit}\hspace{0.2cm} i = 0, ... \hspace{0.05cm}, M-1\]
- unter Berücksichtigung aller möglichen Sendesignale si(t) und deren Auftrittswahrscheinlichkeiten Pr(m = mi) herauszufinden, welche der möglichen Nachrichten (mi) bzw. welches der möglichen Signale (si(t)) am wahrscheinlichsten gesendet wurde.
- Die Schätzung des optimalen Empfängers ist also ganz allgemein bestimmt durch die Gleichung
- \[\hat{m} = {\rm arg} \max_i \hspace{0.1cm} p_{s(t) | r(t) } ( s_i(t) | \rho(t)) = {\rm arg} \max_i \hspace{0.1cm} p_{m | r(t) } ( m_i | \rho(t))\hspace{0.05cm},\]
- wobei wieder berücksichtigt ist, dass die gesendete Nachricht m = mi und das gesendete Signal s(t) = si(t) eineindeutig ineinander übergeführt werden können.
In anderen Worten: Der optimale Empfänger betrachtet diejenige Nachricht mi als die gesendete, wenn die bedingte Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion pm|r(t) für das anliegende Empfangssignal ρ(t) sowie unter der Annahme m = mi den größtmöglichen Wert annimmt.
Bevor wir die obige Entscheidungsregel näher diskutieren, soll der optimale Empfänger entsprechend der Grafik noch in zwei Funktionsblöcke aufgeteilt werden:
- Der Detektor nimmt am Empfangssignal r(t) verschiedene Messungen vor und fasst diese im Vektor r zusammen. Bei K Messungen entspricht r einem Punkt im K–dimensionalen Vektorraum.
- Der Entscheider bildet abhängig von diesem Vektor den Schätzwert. Bei einem gegebenen Vektor r = ρ lautet dabei die Entscheidungsregel:
- \[\hat{m} = {\rm arg} \max_i \hspace{0.1cm} P_{m | \boldsymbol{ r} } ( m_i | \boldsymbol{\rho}) \hspace{0.05cm}.\]
Im Gegensatz zur oberen Gleichung tritt nun in der Entscheidungsregel eine bedingte Wahrscheinlichkeit Pm|r anstelle der bedingten Wahrscheinlichkeitskeitsdichtefunktion (WDF) pm|r(t) auf. Beachten Sie bitte die Groß– bzw. Kleinschreibung für die unterschiedlichen Bedeutungen.
Fundamentaler Ansatz zum optimalen Empfängerentwurf (2)
Wir betrachten nun die Funktion y = arg max p(x), wobei p(x) die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion (WDF) einer wertkontinuierlichen oder wertdiskreten Zufallsgröße x beschreibt. Im zweiten Fall besteht die WDF aus einer Summe von Diracfunktionen mit den Wahrscheinlichkeiten als Impulsgewichte.
Die Grafik zeigt beispielhafte Funktionen. In beiden Fällen liegt das WDF–Maximum (17) bei x = 6:
\[\max_i \hspace{0.1cm} p(x) = 17\hspace{0.05cm},\hspace{0.2cm}y = {\rm arg} \max_i \hspace{0.1cm} p(x) = 6\hspace{0.05cm}.\]
Man nennt die (bedingten) Wahrscheinlichkeiten in der Gleichung
\[\hat{m} = {\rm arg} \max_i \hspace{0.1cm} P_{m | \boldsymbol{ r} } ( m_i | \boldsymbol{\rho})\]
auch a–Posteriori–Wahrscheinlichkeiten. Mit dem Satz von Bayes kann hierfür geschrieben werden:
\[P_{m | \boldsymbol{ r} } ( m_i | \boldsymbol{\rho}) = \frac{{\rm Pr}( m_i) \cdot p_{\boldsymbol{ r}|m } (\boldsymbol{\rho}|m_i )}{p_{\boldsymbol{ r}} (\boldsymbol{\rho})} \hspace{0.05cm}.\]
Da der Term im Nenner für alle mi gleich ist, muss er für die Entscheidung nicht weiter berücksichtigt werden. Damit erhält man die folgenden Regeln:
\[\hat{m}_{\rm MAP} = {\rm arg} \max_i \hspace{0.1cm} P_{m | \boldsymbol{ r} } ( m_i | \boldsymbol{\rho}) = {\rm arg} \max_i \hspace{0.1cm} [ {\rm Pr}( m_i) \cdot p_{\boldsymbol{ r}|m } (\boldsymbol{\rho}|m_i )]\hspace{0.05cm}.\]
Der Vorteil dieser Gleichung ist, dass die die Vorwärtsrichtung des Kanals beschreibende bedingte WDF pr|m („Ausgang unter der Bedingung Eingang”) verwendet werden kann. Dagegen verwendet die erste Gleichung die Rückschlusswahrscheinlichkeiten Pm|r („Eingang unter der Bedingung Ausgang”).
\[\hat{m}_{\rm ML} = \hspace{-0.1cm} {\rm arg} \max_i \hspace{0.1cm} p_{\boldsymbol{ r}|m } (\boldsymbol{\rho}|m_i )\hspace{0.05cm}.\]
Bei diesem werden die möglicherweise unterschiedlichen Auftrittswahrscheinlichkeiten Pr(mi) für den Entscheidungsprozess nicht herangezogen, zum Beispiel, weil sie dem Empfänger nicht bekannt sind.
Hinweis: Im Kapitel 3.7 finden Sie eine andere Herleitung. Allgemein gilt: Bei gleichwahrscheinlichen Nachrichten {mi} ⇒ Pr(mi) = 1/M ist der ML–Empfänger gleichwertig mit dem MAP–Empfänger:
\[\hat{m}_{\rm MAP} = \hat{m}_{\rm ML} =\hspace{-0.1cm} {\rm arg} \max_i \hspace{0.1cm} p_{\boldsymbol{ r}|m } (\boldsymbol{\rho}|m_i )\hspace{0.05cm}.\]