Aufgabe 3.6: Einschwingverhalten

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Wir betrachten in dieser Aufgabe ein Cosinussignal mit der Amplitude 1 und der Periodendauer T = 1 μs, das für alle Zeiten t (im Bereich ±∞) definiert ist:
$$c(t) = \cos(2\pi \cdot \frac{t}{T}) \hspace{0.05cm} .$$
Dagegen beginnt das kausale Cosinussignal (rote Kurve) erst zum Einschaltzeitpunkt t = 0:
$$c_{\rm K}(t)= \left\{ \begin{array}{c} c(t) \\ 0 \end{array} \right. \begin{array}{c} {\rm{f\ddot{u}r}} \\ {\rm{f\ddot{u}r}} \end{array}\begin{array}{*{20}c} { t \ge 0\hspace{0.05cm},} \\ { t < 0\hspace{0.05cm}.} \end{array}$$
Für das beidseitig unbegrenzte Signal c(t) kann man nur das Fourierspektrum
$$C(f) = \frac {1}{ 2} \cdot \delta (f - f_0) + \frac {1}{ 2} \cdot \delta (f + f_0) \quad {\rm mit} \quad f_0 = \frac {1}{ T}= 1\,\,{\rm MHz}$$
angeben. Dagegen ist für das kausale Cosinussignal cK(t) auch die Laplace–Transformierte angebbar:
$$C_{\rm L}(p) = \frac {p} { (p-{\rm j} \cdot 2 \pi/T)\cdot (p+{\rm j} \cdot 2 \pi/T)}\hspace{0.05cm} .$$
Entsprechend gilt für die Laplace–Transformierte der kausalen Sinusfunktion sK(t):
$$S_{\rm L}(p) = \frac {2 \pi/T} { (p-{\rm j} \cdot 2 \pi/T)\cdot (p+{\rm j} \cdot 2 \pi/T)}\hspace{0.05cm} .$$
Die beidseitig unbegrenzte Sinusfunktion wird mit s(t) bezeichnet und ist als blau–gepunktete Kurve im unteren Diagramm dargestellt.
Die Signale c(t), cK(t), s(t) und sK(t) werden nun an den Eingang eines Tiefpasses erster Ordnung mit der Übertragungsfunktion (bzw. der Impulsantwort)
$$H_{\rm L}(p) = \frac {2 /T} { p + 2 /T} \quad \bullet\!\!-\!\!\!-^{\hspace{-0.25cm}\rm L}\!\!\!-\!\!\circ\quad h(t) = \frac{2}{T} \cdot {\rm e}^{\hspace{0.05cm}-\hspace{0.03cm}2 \hspace{0.03cm}t/T}$$
angelegt. Die entsprechenden Ausgangssignale werden mit yC(t), yCK(t), yS(t) bzw. ySK(t) bezeichnet. Diese Signale sollen in dieser Aufgabe berechnet und zueinander in Bezug gesetzt werden.
Hinweis: Zur Berechnung der Signale yCK(t) und ySK(t) bietet sich zum Beispiel der Residuensatz an, der im Kapitel 3.3 ausführlich beschrieben ist. Die Berechnungen zur Teilaufgabe 6) sind umfangreich.


Fragebogen

1

Berechnen Sie aus HL(p) den Frequenzgang H(f) nach Betrag und Phase. Welche Werte ergeben sich für die Frequenz f0 = 1/T = 1 MHz?

$|H(f = f_0)|$ =

$a(f = f_0)$ =

$Np$
$arc \ H(f = f_0)$ = -

$Grad$
$b(f = f_0)$ =

$Grad$

2

Berechnen Sie das Signal yC(t) am Filterausgang, wenn am Eingang des Filters das Cosinussignal c(t) anliegt. Welcher Wert ergibt sich für t = 0?

$y_C(t = 0)$ =

3

Berechnen Sie das Ausgangssignal yS(t), wenn am Eingang das Sinussignal s(t) anliegt. Welcher Wert ergibt sich für t = 0?

$y_S(t = 0)$ = -

4

Bestimmen Sie die Einflusslänge Th der Filterimpulsantwort, also diejenige Zeit, bei der h(t) auf 1% des Maximalwertes abgeklungen ist.

$T_h/T$ =

5

Welche Aussagen sind für die Signale yCK(t) und ySK(t) zutreffend?

Es gilt yCK(t) = 0 und ySK(t) = 0 für t < 0.
Das Signal yCK(t) ist für t > Th annähernd gleich yC(t).
Das kausale Signal ySK(t) ist für t < Th annähernd gleich yS(t).

6

Berechnen Sie mittels Residuensatz das Signal yCK(t) nach dem Filter, wenn am Eingang cK(t) anliegt. Welcher Signalwert tritt zum Zeitpunkt t = T/5 auf?

$y_\text{CK}(t = T/5)$ =


Musterlösung

1.  Ersetzt man in der Übertragungsfunktion HL(p) den Parameter T durch 1/f0 sowie p durch j · 2πf, so erhält man für den Frequenzgang allgemein bzw. für f0 = 1 MHz:
$$H(f) = \frac {2 /T} { {\rm j} \cdot 2 \pi f + 2 /T}= \frac {f_0} { {\rm j} \cdot \pi f + f_0} \hspace{0.3cm} \Rightarrow \hspace{0.3cm} H(f= f_0) = \frac {1} { 1 + {\rm j} \cdot \pi }$$
$$\Rightarrow \hspace{0.3cm} |H(f= f_0)| = \frac {1} { \sqrt{1 + \pi^2 }} \hspace{0.15cm}\underline{= 0.303}\hspace{0.05cm},\hspace{0.2cm}a(f= f_0)= - {\rm ln}\,\, |H(f= f_0)| \hspace{0.15cm}\underline{\approx 1.194\,\,{\rm Np}}$$
$$\Rightarrow \hspace{0.3cm} {\rm arc}\,H(f= f_0)= - {\rm arctan}\,(\pi) \hspace{0.15cm}\underline{\approx -72^\circ} \hspace{0.05cm}, \hspace{0.2cm}b(f= f_0)= -{\rm arc}\,H(f= f_0) \hspace{0.15cm}\underline{\approx +72^\circ} \hspace{0.05cm}.$$
2.  Das Signal yC(t) ist gegenüber c(t) um den Faktor 0.303 gedämpft und um τ ≈ 72/360 · T = T/5 verzögert. Man kann dieses Signal somit auch folgendermaßen beschreiben:
$$y_{\rm C}(t) = \frac { \cos(2\pi {t}/{T}) + \pi \cdot \sin(2\pi {t}/{T})} { {1 + \pi^2 }}= 0.303 \cdot \cos(2\pi \cdot \frac{t-T/5}{T}) \hspace{0.05cm}.$$
$$\Rightarrow \hspace{0.3cm} y_{\rm C}(t=0) = \frac {1} { {1 + \pi^2 }} \hspace{0.15cm}\underline{\approx 0.092} \hspace{0.05cm}.$$
Dieses Signal ist in der linken Grafik zur Musterlösung 5) blau–gepunktet dargestellt.
3.  Das Signal yS(t) ist gegenüber s(t) ebenfalls um den Dämpfungsfaktor 0.303 kleiner und um die Zeitdauer τT/5 verzögert. Es lässt sich wie folgt beschreiben:
$$y_{\rm S}(t) = \frac { -\pi \cdot \cos(2\pi {t}/{T}) + \sin(2\pi {t}/{T})} { {1 + \pi^2 }}= 0.303 \cdot \sin(2\pi \cdot \frac{t-T/5}{T}) $$
$$\Rightarrow \hspace{0.3cm} y_{\rm S}(t=0) = -\frac {\pi} { {1 + \pi^2 }} \hspace{0.15cm}\underline{\approx -0.289} \hspace{0.05cm}.$$
Dieses Signal ist in der rechten Grafik zur Musterlösung 5) blau–gepunktet dargestellt.
4.  Bei Th soll die Impulsantwort h(t) auf 1% des Maximalwertes abgeklungen sein. Somit gilt:
$${\rm e}^{\hspace{0.05cm}-\hspace{0.03cm}2 \hspace{0.03cm}T_{ h}/T} = 0.01 \hspace{0.05cm} \Rightarrow \hspace{0.05cm} \frac{T_{ h}}{T} =\frac{1}{2} \cdot {\rm ln}\,\, \frac{1}{0.01} \hspace{0.15cm}\underline{\approx 2.3}\\ \Rightarrow \hspace{0.05cm}h(t=0) = {2}/{T}\hspace{0.05cm}, \hspace{0.2cm}h(t=T_{ h}) = {0.02}/{T}\hspace{0.05cm}.$$
5.  Richtig sind die Aussagen 1 und 2. Die kausalen Signale yCK(t) und ySK(t) müssen für t < 0 gleich 0 sein. Da aber die Impulsantwort h(t) des betrachteten Filters für t > Th (nahezu) verschwindet, ist es nach Abschluss des Einschwingvorganges egal, ob das zeitlich unbegrenzte Cosinussignal c(t) oder das kausale Signal cK(t) am Eingang anliegt. Das gleiche gilt für die Sinussignale:
$$t >T_{ h}: \hspace{0.3cm}y_{\rm CK}(t)=y_{\rm C}(t)\hspace{0.05cm}, \hspace{0.2cm}y_{\rm SK}(t)=y_{\rm S}(t)\hspace{0.05cm}.$$
Die Grafik zeigt links die Ausgangssignale yC(t) und yCK(t) bei cosinusförmigem Eingang und rechts die Signale yS(t) und ySK(t) bei sinusförmigem Eingang. Beachten Sie die Laufzeit von T/5 (entsprechend der Phase 72°) in beiden Fällen. Bei yCK(t) sind die ersten Wellenberge kleiner als 1, bei ySK(t) größer, um die richtige Phasenlage von yC(t) bzw. yS(t) zu erreichen.
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6.  Mit den Abkürzungen
$$p_{\rm x1}= {\rm j} \cdot {2\pi}/{T} \hspace{0.05cm}, \hspace{0.2cm}p_{\rm x2}= -{\rm j} \cdot {2\pi}/{T} \hspace{0.05cm}, \hspace{0.2cm} p_{\rm x3}= -{2}/{T} \hspace{0.05cm}.$$
kann für die Laplace–Transformierte des Signals yCK(t) geschrieben werden:
$$Y_{\rm L}(p) = \frac {-p_{{\rm x}3}\cdot p} { (p-p_{{\rm x}1})(p-p_{{\rm x}2})(p-p_{{\rm x}3})} \hspace{0.05cm}.$$
Die Zeitfunktion yCK(t) setzt sich somit nach dem Residuensatz aus drei Anteilen zusammen:
  • Der erste Anteil ergibt sich unter Berücksichtigung von px2 = – px1 zu
$$y_1(t)\hspace{0.25cm} = \hspace{0.2cm} {\rm Res} \bigg |_{p \hspace{0.05cm}= \hspace{0.05cm}p_{{\rm x}1}} \hspace{0.7cm}\{Y_{\rm L}(p)\cdot {\rm e}^{\hspace{0.03cm}p t}\}= \frac {-p_{{\rm x}3}\cdot p} { (p-p_{{\rm x}2})(p-p_{{\rm x}3})}\cdot {\rm e}^{\hspace{0.03cm}p \hspace{0.05cm}t} \bigg |_{p \hspace{0.05cm}= \hspace{0.05cm}p_{{\rm x}1}}=\\ \hspace{0.25cm} = \hspace{0.2cm}\frac {-p_{{\rm x}3}\cdot p_{{\rm x}1}} { (p_{{\rm x}1}-p_{{\rm x}2})(p_{{\rm x}1}-p_{{\rm x}3})}\cdot {\rm e}^{\hspace{0.03cm}p_{{\rm x}1}\cdot \hspace{0.03cm}t}= \frac {-p_{{\rm x}3}/2} { p_{{\rm x}1}-p_{{\rm x}3}}\cdot {\rm e}^{\hspace{0.03cm}p_{{\rm x}1}\cdot \hspace{0.03cm}t} \hspace{0.05cm} .$$
  • In gleicher Weise erhält man für den zweiten Anteil:
$$y_2(t)\hspace{0.25cm} = \hspace{0.2cm} {\rm Res} \bigg |_{p \hspace{0.05cm}= \hspace{0.05cm}p_{{\rm x}2}} \hspace{0.7cm}\{Y_{\rm L}(p)\cdot {\rm e}^{\hspace{0.03cm}p t}\}= \frac {-p_{{\rm x}3}\cdot p} { (p-p_{{\rm x}1})(p-p_{{\rm x}3})}\cdot {\rm e}^{\hspace{0.03cm}p \hspace{0.05cm}t} \bigg |_{p \hspace{0.05cm}= \hspace{0.05cm}p_{{\rm x}2}}=\\ \hspace{0.25cm} = \hspace{0.2cm}\frac {-p_{{\rm x}3}\cdot p_{{\rm x}2}} { (p_{{\rm x}2}-p_{{\rm x}1})(p_{{\rm x}2}-p_{{\rm x}3})}\cdot {\rm e}^{\hspace{0.03cm}p_{{\rm x}2}\cdot \hspace{0.03cm}t}= \frac {p_{{\rm x}3}/2} { p_{{\rm x}1}+p_{{\rm x}3}}\cdot {\rm e}^{-p_{{\rm x}1}\cdot \hspace{0.03cm}t} \hspace{0.05cm} .$$
  • Fasst man beide Anteile zusammen und berücksichtigt die Werte von px1 und px3, so erhält man
$$y_{1\hspace{0.03cm}+2}(t)\hspace{0.25cm} = \hspace{0.2cm} \frac {1/T} { 2/T + {\rm j} \cdot 2\pi /T} \cdot {\rm e}^{\hspace{0.03cm}{\rm j} \hspace{0.05cm} \cdot \hspace{0.05cm}2\pi \hspace{0.03cm} t/T}+\frac {1/T} { 2/T - {\rm j} \cdot 2\pi /T} \cdot {\rm e}^{-{\rm j} \hspace{0.05cm} \cdot \hspace{0.05cm}2\pi \hspace{0.03cm}t/T}=\\ \hspace{0.25cm} = \hspace{0.2cm}\frac {1/2} { 1 + {\rm j} \cdot \pi } \cdot {\rm e}^{\hspace{0.03cm}{\rm j} \hspace{0.05cm} \cdot \hspace{0.05cm}2\pi \hspace{0.03cm}t/T}+\frac {1/2} { 1 - {\rm j} \cdot \pi } \cdot {\rm e}^{-{\rm j} \hspace{0.05cm} \cdot \hspace{0.05cm}2\pi \hspace{0.03cm}t/T}=\\ \hspace{0.25cm} = \hspace{0.2cm}\frac {1/2 \cdot (1 - {\rm j} \cdot \pi)} { 1 + \pi^2 } \cdot {\rm e}^{\hspace{0.03cm}{\rm j} \hspace{0.05cm} \cdot \hspace{0.05cm}2\pi \hspace{0.03cm}t/T}+\frac {1/2 \cdot (1 + {\rm j} \cdot \pi)} { 1 + \pi^2 } \cdot {\rm e}^{-{\rm j} \hspace{0.05cm} \cdot \hspace{0.05cm}2\pi \hspace{0.03cm}t/T} \hspace{0.05cm} .$$
  • Mit Hilfe des Eulerschen Satzes kann hierfür auch geschrieben werden:
$$y_{1\hspace{-0.03cm}+2} (t) = \frac { \cos(2\pi {t}/{T}) + \pi \cdot \sin(2\pi {t}/{T})} { {1 + \pi^2 }}= y_{\rm C}(t)\hspace{0.05cm}.$$
Man erkennt, dass y1+2(t) gleich dem unter b) berechneten Signal yC(t) ist.
  • Schließlich erhält man für das letzte Residuum:
$$y_3(t)\hspace{0.25cm} = \hspace{0.2cm} \frac {-p_{{\rm x}3}^2} { (p_{{\rm x}3}-p_{{\rm x}1}) (p_{{\rm x}3}-p_{{\rm x}2})} \cdot {\rm e}^{\hspace{0.05cm}p_{{\rm x}3}\cdot \hspace{0.03cm}t}= \frac {-(2/T)^2 \cdot {\rm e}^{\hspace{0.05cm}-2 \hspace{0.03cm}t/T}} { (-2/T-{\rm j} \cdot 2\pi /T) (-2/T+{\rm j} \cdot 2\pi /T)} \\ = \hspace{0.2cm}\frac {-1 } { (1+{\rm j} \cdot \pi ) (1-{\rm j} \cdot \pi)} \cdot {\rm e}^{\hspace{0.05cm}-2 \hspace{0.03cm}t/T}=\frac {- 1} { 1+\pi^2} \cdot {\rm e}^{\hspace{0.05cm}-2 \hspace{0.03cm}t/T} \hspace{0.05cm} .$$
  • Damit lautet das Ausgangssignal bei kausalem Cosinussignal am Eingang:
$$y_{\rm CK}(t) = y_1(t)+y_2(t)+y_3(t) = \frac { \cos(2\pi {t}/{T}) + \pi \cdot \sin(2\pi {t}/{T})-{\rm e}^{\hspace{0.05cm}-2 \hspace{0.03cm}t/T}} { {1 + \pi^2 }}$$
$$\Rightarrow \hspace{0.3cm}y_{\rm CK}(t = {T}/{5}) = \frac { \cos(72^\circ) + \pi \cdot \sin(72^\circ)-{\rm e}^{\hspace{0.05cm}-0.4}} { {1 + \pi^2 }} \hspace{0.15cm}\underline{ \approx 0.24} < 0.303\hspace{0.05cm} .$$
Zum Vergleich: Das Signal yC(t) hat zu diesem Zeitpunkt den Wert 0.303.
  • Dagegen ergibt sich beim kausalen Sinussignal am Eingang allgemein und speziell zum Zeitpunkt des ersten Maximums bei t = 0.45T:
$$y_{\rm SK}(t) = \frac { -\pi \cdot \cos(2\pi {t}/{T}) + \sin(2\pi {t}/{T})+\pi \cdot {\rm e}^{\hspace{0.05cm}-2 \hspace{0.03cm}t/T}} { {1 + \pi^2 }}$$
$$\Rightarrow \hspace{0.3cm} y_{\rm SK}(t = 0.45 \cdot T) = \frac { -\pi \cdot \cos(162^\circ) + \sin(162^\circ)+\pi \cdot{\rm e}^{\hspace{0.05cm}-0.9}} { {1 + \pi^2 }} \approx 0.42 > 0.303\hspace{0.05cm} .$$