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Ideales und verzerrungsfreies System

In allen nachfolgenden Kapiteln wird stets von folgendem Modell ausgegangen:

Blockschaltbild zur Beschreibung von Modulation und Demodulation


Die Aufgabe eines jeden Nachrichtenübertragungssystems besteht darin, an der räumlich entfernten Sinke ein Signal $v(t)$ zur Verfügung zu stellen, das sich möglichst wenig vom Quellensignal $q(t)$ unterscheidet.

Definition:  Ein ideales System liegt vor, wenn folgende Bedingung erfüllt ist:

$$v(t) = q(t) + n(t), \hspace{1cm}n(t) \to 0.$$

Hierbei ist berücksichtigt, dass $n(t) \equiv 0$ aus physikalischen Gründen aufgrund des Thermischen Rauschens nicht möglich ist.

In der Praxis werden sich die Signale $q(t)$ und $v(t)$ stets unterscheiden, wofür es folgende Gründe gibt:

  • Nichtideale Realisierung von Modulator und Demodulator,
  • lineare Dämpfungs– und Phasenverzerrungen sowie Nichtlinearitäten,
  • externe Störungen und stochastische Rauschprozesse,
  • frequenzunabhängige Dämpfung und Laufzeit.


Ist nur die letztgenannte Einschränkung wirksam, so liegt ein verzerrungs– und rauschfreies System vor, und es gilt: $$v(t) = \alpha \cdot q(t- \tau).$$

Durch den Dämpfungsfaktor $α$ ist das Sinkensignal $υ(t)$ gegenüber dem Quellensignal $q(t)$ nur „leiser”. Auch eine Laufzeit $τ$ ist oft tolerabel, zumindest bei einer unidirektionalen Übertragung. Dagegen wird bei einer bidirektionalen Kommunikation – zum Beispiel einem Telefonat – schon eine Laufzeit von 300 Millisekunden als sehr störend empfunden.

Signal–zu–Stör–Leistungsverhältnis (1)

Im allgemeinen Fall wird sich das Sinkensignal $υ(t)$ auch gegenüber $α · q(t – τ)$ unterscheiden, und es gilt für das Fehlersignal: $$\varepsilon (t) = v(t) - \alpha \cdot q(t- \tau) = \varepsilon_{\rm V} (t) + \varepsilon_{\rm St} (t).$$

Dieses setzt sich aus zwei Anteilen zusammen:

  • den linearen und nichtlinearen Verzerrungen $ε_{\rm V}(t)$, die durch Modulator, Kanal und Demodulator hervorgerufen werden können und deterministisches Verhalten zeigen,
  • der stochastischen Komponente $ε_{\rm St}(t)$, die von der HF–Störung $n(t)$ am Demodulatoreingang herrührt. Im Gegensatz zu $n(t)$ handelt es sich bei $ε_{\rm St}(t)$ um eine niederfrequente Störung.


Als Maß für die Qualität des Nachrichtensystems wird das Signal–zu–Stör–Leistungsverhältnis $ρ_υ$ an der Sinke als Quotient der Leistungen (Varianzen) von Nutzanteil $υ(t) – ε(t)$ und Störanteil $ε(t)$ definiert: $$P_{v -\varepsilon} = \overline{[v(t)-\varepsilon(t)]^2} = \lim_{T_{\rm M} \rightarrow \infty}\hspace{0.1cm}\frac{1}{T_{\rm M}} \cdot \int\limits_{0}^{ T_{\rm M}} {[v(t)-\varepsilon(t)]^2 }\hspace{0.1cm}{\rm d}t,$$ $$P_{\varepsilon} = \overline{\varepsilon^2(t)} = \lim_{T_{\rm M} \rightarrow \infty}\hspace{0.1cm}\frac{1}{T_{\rm M}} \cdot \int\limits_{0}^{ T_{\rm M}} {\varepsilon^2(t) }\hspace{0.1cm}{\rm d}t$$ $$\Rightarrow \hspace{0.5cm}\rho_{v} = \frac{ P_{v -\varepsilon}}{P_{\varepsilon}} \hspace{0.05cm}.$$

Für die Leistung des Nutzanteils erhält man unabhängig von der Laufzeit $τ$: $$P_{v -\varepsilon} = \overline{[v(t)-\varepsilon(t)]^2} = \overline{\alpha^2 \cdot q^2(t - \tau)}= \alpha^2 \cdot P_{q}.$$ Hierbei bezeichnet $P_q$ die Leistung des Quellensignals $q(t)$: $$P_{q} = \lim_{T_{\rm M} \rightarrow \infty}\hspace{0.1cm}\frac{1}{T_{\rm M}} \cdot \int\limits_{0}^{ T_{\rm M}} {q^2(t) }\hspace{0.1cm}{\rm d}t .$$ Damit erhält man: $$\rho_{v} = \frac{\alpha^2 \cdot P_{q}}{P_{\varepsilon}} \hspace{0.3cm}\Rightarrow \hspace{0.3cm} 10 \cdot {\rm lg}\hspace{0.15cm}\rho_{v} = 10 \cdot {\rm lg} \hspace{0.15cm} \frac{\alpha^2 \cdot P_{q}}{P_{\varepsilon}} \hspace{0.05cm}.$$ Im Folgenden bezeichnen wir $ρ_υ$ kurz als das Sinken–SNR (Signal–to–Noise–Ratio) und 10 · lg $ρ_υ$ als den Sinken–Störabstand, der bei Verwendung des Zehner–Logarithmus (lg) in dB angegeben wird.

Signal–zu–Stör–Leistungsverhältnis (2)

Nachfolgend sehen Sie einen beispielhaften Ausschnitt des (blauen) Quellensignals $q(t)$ und des (roten) Sinkensignals $υ(t)$, die sich deutlich voneinander unterscheiden.


Beispiel für ein Fehlersignal


Die mittlere Grafik macht jedoch deutlich, dass der wesentliche Unterschied zwischen $q(t)$ und $υ(t)$ auf den Dämpfungsfaktor $α =$ 0.7 und die Laufzeit $τ =$ 0.1 Millisekunden zurückzuführen ist.

Die untere Skizze zeigt das verbleibende Fehlersignal $ε(t) = υ(t) – α · q(t – τ)$ nach Korrektur von Dämpfung und Laufzeit. Der quadratische Mittelwert (Varianz) dieses Signals ist die Störleistung $P_ε$.

Zur Berechnung des Sinken–SNR $ρ_υ$ muss $P_ε$ in Bezug zur Nutzleistung $α^2 · P_q$ gesetzt werden. Diese ergibt sich als die Varianz des in der mittleren Grafik hellblau eingezeichneten Signals $α · q(t – τ)$. Mit den für diese Grafik vorausgesetzten Kenngrößen $$\alpha = 0.7\hspace{0.3cm}\Rightarrow\hspace{0.3cm}\alpha^2 \approx 0.5, \hspace{0.2cm} P_{q} = 8\,{\rm V^2}, \hspace{0.2cm}{P_{\varepsilon}} = 0.04\,{\rm V^2}$$ ergibt sich das Sinken–SNR $ρ_υ$ ≈ 100 bzw. der Sinken–Störabstand 10 · lg $ρ_υ$ ≈ 20 dB.


Das Fehlersignal $ε(t)$ – und damit auch das Sinken–SNR $ρ_υ$ – berücksichtigt alle Unzulänglichkeiten des betrachteten Nachrichtenübertragungssystems (Verzerrungen, externe Störungen, Rauschen, usw.). Im Folgenden werden wir aus Darstellungsgründen die unterschiedlichen Effekte getrennt betrachten.

Untersuchungen im Hinblick auf Signalverzerrungen

Alle in den folgenden Kapiteln beschriebenen Modulationsverfahren führen bei nichtidealen Bedingungen zu Verzerrungen, das heißt zu einem Sinkensignal $υ(t) ≠ α · q(t – τ)$, das sich nicht nur durch eine Dämpfung und eine Laufzeit von $q(t)$ unterscheidet. Für die Untersuchung und Beschreibung dieser Signalverfälschungen gehen wir stets von folgenden Voraussetzungen aus (siehe Grafik):

  • Das additive Störsignal $n(t)$ am Kanalausgang (Demodulatoreingang) sei vernachlässigbar klein und wird nicht berücksichtigt.
  • Alle Komponenten von Modulator und Demodulator seien linear, ebenso wie der Kanal, der somit durch seinen Frequenzgang $H_{\rm K}(f)$ vollständig beschrieben wird.
Vereinfachtes Modell eines Übertragungssystems


Je nach Art und Realisierung von Modulator und Demodulator treten folgende Signalverfälschungen auf:

  • Lineare Verzerrungen, entsprechend der Beschreibung in Kapitel 2.3 des Buches Lineare zeitinvariante Systeme. Diese werden weiter in Dämpfungs– und Phasenverzerrungen unterteilt. Lineare Verzerrungen können im Allgemeinen durch einen Entzerrer kompensiert werden, was allerdings bei Vorhandensein einer stochastischen Störung $n(t)$ stets zu einer höheren Störleistung und damit zu einem geringeren Sinken–SNR führt.
  • Nichtlineare Verzerrungen, die im Kapitel 2.2 des Buches Lineare zeitinvariante Systeme ausführlich behandelt werden. Diese sind irreversibel und damit eine stärkere Beeinträchtigung als lineare Verzerrungen. Zur quantitativen Erfassung solcher Verzerrungen eignet sich beispielsweise der Klirrfaktor $K$, der mit dem Sinken–SNR in folgendem Zusammenhang steht:

$$\rho_{v} = {1}/{K^2} \hspace{0.05cm}.$$

Die Angabe des Klirrfaktors setzt jedoch eine harmonische Schwingung als Quellensignal voraus.


Anzumerken ist, dass die Verzerrungen bezüglich $q(t)$ und $υ(t)$ stets dann von nichtlinearer Art sind, wenn der Kanal nichtlineare Komponenten beinhaltet und damit bereits nichtlineare Verzerrungen bezüglich der Signale $s(t)$ und $r(t)$ gegeben sind. Ebenso führen Nichtlinearitäten bei Modulator und Demodulator stets zu nichtlinearen Verzerrungen.


Wir verweisen hier auf drei grundlegende Lernvideos aus dem Buch Lineare zeitinvariante Systeme:

Eigenschaften des Übertragungskanals (Dauer 5:50)

Einige Anmerkungen zur Übertragungsfunktion (Dauer 9:08)

Lineare und nichtlineare Verzerrungen (3 Teile, Gesamtdauer 16:25)

Einige Anmerkungen zum AWGN–Kanalmodell

Zur Untersuchung des Rauschverhaltens der einzelnen Modulations– und Demodulationsverfahren gehen wir meist vom so genannten AWGN–Kanal aus, wobei die Abkürzung für Additive White Gaussian Noise steht und die Eigenschaften dieses Kanalmodells bereits hinreichend beschreibt:


  • Das additive Störsignal beinhaltet alle Frequenzanteile gleichermaßen; $n(t)$ besitzt ein konstantes Leistungsdichtespektrum (LDS) und eine diracförmige Autokorrelationsfunktion (AKF):

$${\it \Phi}_n(f) = \frac{N_0}{2}\hspace{0.15cm} \bullet\!\!-\!\!\!-\!\!\!-\!\!\circ\, \hspace{0.15cm} \varphi_n(\tau) = \frac{N_0}{2} \cdot \delta (\tau)\hspace{0.05cm}.$$

Der Faktor 1/2 in diesen Gleichungen berücksichtigt jeweils die zweiseitige Spektraldarstellung.


  • Beispielsweise gilt bei thermischem Rauschen für die physikalische Rauschleistungsdichte (das heißt: einseitige Betrachtungsweise) mit der Rauschzahl $F$ ≥ 1 und der absoluten Temperatur $θ$:

$${N_0}= F \cdot k_{\rm B} \cdot \theta , \hspace{0.3cm}k_{\rm B} = 1.38 \cdot 10^{-23}{ {\rm Ws} }/{ {\rm K} }\hspace{0.2cm}{\rm (Boltzmann-Konstante)}\hspace{0.05cm}.$$


  • Bei echt weißem Rauschen würde sich eine unendliche große Leistung ergeben. Deshalb ist stets eine Bandbegrenzung auf $B$ zu berücksichtigen, und es gilt für die wirksame Rauschleistung:

$$N = \sigma_n^2 = {N_0} \cdot B \hspace{0.05cm}.$$


  • Die Amplitude $n$ des Störsignals besitzt eine Gaußsche Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion (WDF) mit dem Störeffektivwert $σ_n$:

$$f_n(n) = \frac{1}{\sqrt{2\pi}\cdot\sigma_n}\cdot {\rm e}^{-{\it n^{\rm 2}}/{(2\sigma_{\it n}^2)}}.$$


  • Eigentlich ist beim AWGN–Kanal $H_{\rm K}(f) =$ 1 zu setzen. Wir modifizieren dieses Modell für unsere Untersuchungen jedoch in der Form, dass wir eine frequenzunabhängige Dämpfung zulassen:

$$H_{\rm K}(f) = \alpha_{\rm K}= {\rm const.}$$

Ein solcher frequenzunabhängiger Dämpfungsfaktor führt nicht zu Verzerrungen.


Wir möchten Sie hier gerne auf ein dreiteiliges Lernvideo aus dem Buch Stochastische Signaltheorie hinweisen, in dem die Eigenschaften des AWGN–Kanals sehr detailliert beschrieben sind:

Der AWGN-Kanal – Teil 1 (Dauer 6:00)

Der AWGN-Kanal – Teil 2 (Dauer 5:15)

Der AWGN-Kanal – Teil 3 (Dauer 6:15)

Untersuchungen beim AWGN–Kanal (1)

Bei allen Untersuchungen hinsichtlich des Rauschverhaltens gehen wir von folgendem Blockschaltbild aus:


Blockschaltbild zur Untersuchung des Rauschverhaltens


Wir werden dabei stets das Sinken–SNR $ρ_υ$ in Abhängigkeit aller Systemparameter berechnen und zu folgenden Ergebnissen kommen:

  • Je mehr Sendeleistung $P_{\rm S}$ aufgewendet wird, desto besser ist das Sinken–SNR $ρ_υ$. Bei einigen Verfahren ergibt sich sogar ein linearer Zusammenhang.
  • Dagegen nimmt $ρ_υ$ mit steigender Rauschleistungsdichte $N_0$ monoton ab. Eine Vergrößerung von $N_0$ kann meist durch eine größere Sendeleistung ausgeglichen werden.
  • Je kleiner der Dämpfungsfaktor $α_{\rm K}$ ist – das heißt, je stärker der Kanal dämpft – um so kleiner wird $ρ_υ$. Es besteht oft eine quadratische Abhängigkeit, da die Empfangsleistung $P_{\rm E} = {α_{\rm K}}^2 · P_{\rm S}$ ist.
  • Auch ein breitbandigeres Quellensignal (größeres $B_{\rm NF}$) führt zu einem kleineren $ρ_υ$, da dadurch auch die HF–Bandbreite vergrößert werden muss und somit mehr Störungen wirksam werden.


Unter Berücksichtigung dieser vier Aussagen kommt man zu dem Schluss, dass es Sinn macht, das Sinken–SNR in der Form $$\rho_{v } = \rho_{v }(\xi) \hspace{0.5cm} {\rm mit} \hspace{0.5cm}\xi = \frac{ {\alpha_{\rm K} }^2 \cdot P_{\rm S}}{{N_0} \cdot B_{\rm NF}}$$

normiert darzustellen. Die in $ξ$ zusammengefassten Eingangsgrößen sind in obigem Bild mit blauen Pfeilen markiert, während das Qualitätskriterium $ρ_υ$ durch den roten Pfeil hervorgehoben ist.

Untersuchungen beim AWGN–Kanal (2)

In der linken Grafik ist das Sinken–SNR $ρ_υ$ für drei verschiedene Systeme dargestellt, jeweils in Abhängigkeit von der normierten Leistungskenngröße $$\xi = { {\alpha_{\rm K}}^2 \cdot P_{\rm S}}/({{N_0} \cdot B_{\rm NF}}).$$


Untersuchungen beim AWGN–Kanal


Beim System A gilt $ρ_ν = ξ$. Beispielsweise führen die Systemparameter $$P_{\rm S}= 10 \;{\rm kW}\hspace{0.05cm}, \hspace{0.2cm} \alpha_{\rm K} = 10^{-4}\hspace{0.05cm}, \hspace{0.2cm} {N_0} = 10^{-12}{ {\rm W} }/{ {\rm Hz} }\hspace{0.05cm}, \hspace{0.2cm} B_{\rm NF}= 10\; {\rm kHz}$$

Auch beim System B besteht mit $ρ_υ = ξ/3$ ein linearer Zusammenhang. Anzumerken ist, dass ein Rauschverhalten entsprechend den Systemen A bzw. B bei Zweiseitenband–Amplitudenmodulation mit Modulationsgrad $m → ∞$ bzw. $m$ ≈ 0.5 festzustellen ist (siehe Kapitel 2.2).


Das System C zeigt ein völlig anderes Rauschverhalten. Für kleine Werte von $ξ$ ist dieses System dem System A überlegen, während für $ξ =$ 10000 die Qualität beider Systeme gleich ist. Durch eine Erhöhung von $ξ$ kann das System C im Gegensatz zum System A nicht signifikant verbessert werden.

Ein solches Verhalten ist zum Beispiel bei Digitalsystemen feststellbar, bei denen das Sinken–SNR durch das Quantisierungsrauschen begrenzt wird. Befindet man sich bereits auf dem horizontalen Abschnitt der Kurve, so ist durch eine größere Sendeleistung – und damit verbunden eine kleinere Bitfehlerwahrscheinlichkeit – kein besseres Sinken–SNR zu erzielen.

Meist werden die Größen $ρ_υ$ und $ξ$ in logarithmierter Form dargestellt, wie in der rechten Grafik zu sehen. Durch die doppelt–logarithmische Darstellung ergibt sich für das System A weiterhin die Winkelhalbierende. Die geringere Steigung (Faktor 3) von System B führt nun zu einer Verschiebung um 10 · lg 3 ≈ 5 dB nach unten. Der Schnittpunkt der Systeme A und C verschiebt sich durch die doppelt–logarithmische Transformation von $ξ = ρ_υ =$ 10000 auf 10 · lg $ξ =$ 10 · lg $ρ_υ =$ 40 dB.