Aufgabe 4.12: Wurzel–Nyquist–Systeme

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Spektren von Sendegrundimpuls und Detektionsgrundimpuls

Bei den Quadraturamplitudenmodulationssystemen wird häufig anstelle eines rechteckigen Sendegrundimpulses die Wurzel–Nyquist–Variante gewählt, wobei dieser Name aus dem Spektralbereich abgeleitet ist. Der Grund hierfür ist die signifikant kleinere Bandbreite.

In diesem Fall erfüllt der Detektionsgrundimpuls $g_d(t)$ dieerste Nyquistbedingung, da $G_d(f)$ punktsymmetrisch um die so genannte Nyquistfrequenz $f_{Nyq} = 1/T$ ist. $G_d(f)$ ist ein Cosinus–Rolloff–Spektrum, wobei der Rolloff–Faktor $r$ Werte zwischen $0$ und $1$ (einschließlich dieser Grenzen) annehmen kann.

Weiterhin gilt für den Nyquist–Frequenzgang:

  • Für $|f| < f_1 = f_{Nyq} · (1 – r)$ ist $G_d(f)$ konstant gleich $g_0 · T$.
  • Bei Frequenzen größer als $f_2 = f_{Nyq} · (1 + r)$ hat $G_d(f)$ keine Anteile.
  • Dazwischen verläuft die Flanke cosinusförmig.

Die Optimierung digitaler Nachrichtenübertragungssysteme ergibt, dass der Empfängerfrequenzgang $H_{\rm E}(f)$ formgleich mit dem Sendespektrum $G_s(f)$ sein sollte. Um dimensionsrichtige Spektralfunktionen zu erhalten, wird für diese Aufgabe und die Grafik vorausgesetzt:

$$G_s(f) = \sqrt{g_0 \cdot T \cdot G_d(f)},\hspace{0.4cm} H_{\rm E}(f) = \frac{1}{g_0 \cdot T}\cdot G_s(f)\hspace{0.05cm}.$$

Die obere Grafik zeigt das Sendespektrum $G_s(f)$ für die Rolloff–Faktoren

  • $r = 0$ (grün punktiertes Rechteck),
  • $r = 0.5$ (blaue durchgezogene Linie),
  • $r = 1$ (rotes gestricheltes Trapez).


Unten ist das Spektrum $G_d(f)$ vor dem Entscheider in gleichen Farben dargestellt. Der dazugehörige Impuls $g_d(t)$ ist für alle gültigen Rolloff–Faktoren ($0 ≤ r ≤ 1$) ein Nyquistimpuls im Gegensatz zum Sendegrundimpuls $g_s(t)$. Für diesen wird in der Literatur – zum Beispiel in [Kam04] – folgende Gleichung angegeben:

$$g_s(t) = g_0 \cdot \frac{4 r t/T \cdot \cos \left [\pi \cdot (1+r) \cdot t/T \right ]+ \sin \left [\pi \cdot (1-r) \cdot t/T \right ]}{\left [1- (4 r t/T)^2 \right ] \cdot \pi \cdot t/T}\hspace{0.05cm}.$$


Hinweise:

  • Die Aufgabe gehört zum Kapitel Quadratur–Amplitudenmodulation.
  • Bezug genommen wird insbesondere auf die Seite Nyquist- und Wurzel-Nyquist-Systeme in diesem Kapitel.
  • Weitere hilfreiche Informationen erfahren Sie im Kapitel Eigenschaften von Nyquistsystemen des Buches „Digitalsignalübertragung”.
  • [Kam04] verweist auf das empfehlenswert Fachbuch „Kammeyer, K.D.: Nachrichtenübertragung. Stuttgart: B.G. Teubner, 4. Auflage, 2004”.
  • Energien sind in $\rm V^2s$ anzugeben; sie beziehen sich somit auf den Bezugswiderstand $R = 1 \ \rm \Omega$.
  • Sollte die Eingabe des Zahlenwertes „0” erforderlich sein, so geben Sie bitte „0.” ein.


Fragebogen

1

Wie lautet der Sendegrundimpuls $g_s(t)$ für den Rolloff–Faktor $r = 0$? Welcher Signalwert ergibt sich zum Zeitpunkt $t = 0$?

$g_s(t = 0) \ = \ $

$\ \cdot g_0$

2

Wie lautet der Sendegrundimpuls $g_s(t)$ für den Rolloff–Faktor $r = 1$? Welcher Signalwert ergibt sich zum Zeitpunkt $t = 0$?

$g_s(t = 0) \ = \ $

$\ \cdot g_0$

3

Es gelte weiter $r = 1$. Zu welchen Zeiten hat $g_s(t)$ Nulldurchgänge?

Bei allen Vielfachen der Symboldauer $T$.
Bei $t = ±0.25 T, ±0.75 T, ±1.25 T, ±1.75 T$, ...
Bei $t = ±0.75 T, ±1.25 T, ±1.75 T$, ...

4

Wie lautet der Sendegrundimpuls $g_s(t)$ für den Rolloff–Faktor $r = 0.5$? Welcher Signalwert ergibt sich zum Zeitpunkt $t = 0$?

$g_s(t = 0) \ = \ $

$\ \cdot g_0$

5

Welche Aussagen sind für die Signalamplitude unabhängig von $r$ gültig? Lösen Sie diese Teilaufgabe im Frequenzbereich.

Die Sendeimpulsamplitude kann alle Werte im Bereich $0 ≤ g_s(t = 0) ≤ g_0$ annehmen.
Die Sendeimpulsamplitude kann alle Werte im Bereich $g_0 ≤ g_s(t = 0) ≤ 2 g_0$ annehmen.
Die Sendeimpulsamplitude kann alle Werte im Bereich $g_0 ≤ g_s(t = 0) ≤ 4 g_0/π$ annehmen.

6

Wie groß ist die Energie $E_{gs}$ des Sendegrundimpulses $g_s(t)$ für $r = 0$ und $r = 1$?

$r = 0\text{:} \ \ E_{gs} \ = \ $

$\ \cdot g_0^2 \cdot T$
$r = 1\text{:} \ \ E_{gs} \ = \ $

$\ \cdot g_0^2 \cdot T$


Musterlösung

1. Setzt man in die gegebene Gleichung r = 0 ein, so verschwinden im Zähler und Nenner die jeweils ersten Terme und man erhält: $$g_s(t) = g_0 \cdot \frac{\sin \left (\pi \cdot t/T \right )}{\pi \cdot t/T} = g_0 \cdot {\rm si} \left (\pi \cdot {t}/{T} \right )\hspace{0.05cm}.$$ Zum Zeitpunkt t = 0 ist der si–Impuls gleich 1 (mal $g_0$): $$ g_s(t) \hspace{0.15cm}\underline { = 1.0 } \cdot g_0 \hspace{0.05cm}.$$

2. Für r = 1 lässt sich die angegebene Gleichung wie folgt vereinfachen: $$g_s(t) = \frac{4 \cdot g_0}{\pi} \cdot \frac{ \cos \left (2 \pi \cdot t/T \right )}{\left [1- (4 t/T)^2 \right ] }\hspace{0.3cm}\Rightarrow \hspace{0.3cm} g_s(t = 0) = \frac{4 \cdot g_0}{\pi} \hspace{0.15cm}\underline {= 1.273 }\cdot g_0 \hspace{0.05cm}.$$

3. Nulldurchgänge sind für r = 1 nur dann möglich, wenn die Cosinusfunktion im Zähler den Wert 0 liefert, also für alle ganzzahligen Werte von k: $$2 \pi \cdot t/T = {\pi}/{2} + k \cdot \pi \hspace{0.3cm}\Rightarrow \hspace{0.3cm} t = \pm 0.25T, \hspace{0.15cm} \pm 0.75T, \hspace{0.15cm}\pm 1.25T, \hspace{0.15cm} ...$$ Richtig ist aber nur der letzte Lösungsvorschlag, da die Nullstellen bei ± T/4 durch die Nullstelle im Nenner aufgehoben wird. Die Anwendung der Regel von de l'Hospital liefert $g_s(t = ± T/4) = g_0$.

4. Mit r = 0.5 und der Abkürzung x = t/T erhält man: $$g_s(x) = \frac{g_0}{\pi} \cdot \frac{2 \cdot x \cdot \cos \left (1.5\pi \cdot x \right )+ \sin \left (0.5\pi \cdot x \right )}{\left (1- 4 \cdot x^2 \right ) \cdot x}\hspace{0.05cm}.$$

Für die Berechnung zum Zeitpunkt t = 0 muss die Regel von de l'Hospital angewandt werden. Die Ableitungen von Zähler und Nenner ergeben: $$Z'(x) = 2 \cdot \cos \left (1.5\pi \cdot x \right ) - 3 \pi \cdot x \cdot \sin \left (1.5\pi \cdot x \right ) + 0.5 \pi \cdot \cos \left (0.5\pi \cdot x \right ),$$ $$N'(x) = \left (1- 4 \cdot x^2 \right ) - 8 \cdot x^2 \hspace{0.05cm}.$$ Die beiden Grenzübergänge für x → 0 liefern: $$\lim_{x \rightarrow 0} Z'(x) = 2 +{\pi }/{2},\hspace{0.2cm} \lim_{x \rightarrow 0} N'(x) = 1 \hspace{0.05cm}.$$ Damit gilt für die Signalamplitude zum Zeitpunkt t = 0: $$g_s(t=0) = \frac{g_0}{\pi} \cdot \left ( 2 +{\pi }/{2} \right ) = {g_0} \cdot \left ( 0.5 + {2}/{\pi } \right )\hspace{0.15cm}\underline {= 1.137} \cdot g_0 \hspace{0.05cm}.$$ Die Grafik verdeutlicht nochmals die hier berechneten Ergebnisse. Der Impuls $g_d(t)$ ist ein Nyquistimpuls, das heißt, dass $g_d(t)$ zumindest bei allen Vielfachen der Symboldauer T Nulldurchgänge besitzt (je nach Rolloff–Faktor noch andere Nullstellen). Der Sendegrundimpuls $g_s(t)$ erfüllt die Nyquistbedingung nicht. Außerdem erkennt man aus dieser Darstellung nochmals, dass für r ≠ 0 die Impulsamplitude $g_s(t = 0)$ stets größer als $g_0$ ist. P_ID1723__Mod_A_4_11b.png

5. Richtig ist nur der letzte Lösungsvorschlag. Der erste Lösungsvorschlag scheidet bereits nach den Ergebnissen der Teilaufgaben b) und d) aus. Die Gültigkeit der Schranken $g_0$ und $4g_0/π$ lässt sich wie folgt nachweisen:

  • Die Impulsamplitude $g_s(t = 0)$ ist gleich der Fläche unter $G_s(f)$.
  • Die kleinste Fläche ergibt sich für r = 0. Hier ist $G_s(f) = g_0 · T$ im Bereich $|f| < ±1/(2T)$. Die Fläche ist somit gleich $g_0$.
  • Die größtmögliche Fläche ergibt sich für r = 1. Hier ist $G_s(f)$ auf den Bereich ±1/T ausgedehnt und hat einen cosinusförmigen Verlauf. Das Ergebnis $g_s(t = 0) = 4g_0/π$ wurde bereits in Teilaufgabe c) berechnet. Es gilt aber auch:

$$g_s(t=0) = 2 \cdot {g_0} \cdot \int_{ 0 }^{1/T} {\cos\left(\frac{\pi }{2}\cdot f \cdot T \right)}\hspace{0.1cm} {\rm d}f = \frac{4 g_0}{\pi} \cdot \int_{ 0 }^{\pi/2} {\cos\left(x \right)}\hspace{0.1cm} {\rm d}x =$$ $$ = {4 g_0}/{\pi} \cdot \left[\sin(\pi/2) - \sin(0) \right] = {4 g_0}/{\pi}\hspace{0.05cm}.$$

6. Die Energie des Sendegrundimpulses $g_s(t)$ kann nach dem Satz von Parseval sowohl im Zeit– als auch im Frequenzbereich ermittelt werden: $$E_{g_s} = \int_{ -\infty }^{+\infty} {[g_s(t)]^2}\hspace{0.1cm} {\rm d}t = \int_{ -\infty }^{+\infty} {|G_s(f)|^2}\hspace{0.1cm} {\rm d}f \hspace{0.05cm}.$$ Aus den Gleichungen und der Grafik auf der Angabenseite erkennt man, dass $|G_s(f)|^2$ formgleich mit $G_d(f)$ ist, mit dem Unterschied, dass die Höhe ($g_0 · T)^2$ anstelle von $g_0 · T$ ist: $$E_{g_s} = \int_{ -\infty }^{+\infty} {|G_s(f)|^2}\hspace{0.1cm} {\rm d}f = \frac{g_0^2 \cdot T^2}{g_0 \cdot T} \cdot \int_{ -\infty }^{+\infty} {G_d(f)}\hspace{0.1cm} {\rm d}f \hspace{0.05cm}.$$ Aufgrund der Nyquistform von $G_d(f)$ gilt aber unabhängig von r: $$\int_{ -\infty }^{+\infty} {G_d(f)}\hspace{0.1cm} {\rm d}f = g_0 \hspace{0.05cm}.$$ Damit ist die Impulsenergie unabhängig von r, also auch gültig für r = 0 und r = 1: $E_ {gs} = 1.0 · g_0^2 · T.$