Gaußverteilte Zufallsgrößen

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Allgemeine Beschreibung

Zufallsgrößen mit Gaußscher Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion – die Namensgebung geht dabei auf den bedeutenden Mathematiker, Physiker und Astronomen Carl Friedrich Gauß zurück – sind wirklichkeitsnahe Modelle für viele physikalische Größen und haben auch für die Nachrichtentechnik eine große Bedeutung. Dies hat mehrere Gründe:

  • Nach dem zentralen Grenzwertsatz besitzt jede Linearkombination statistischer Größen

$$x=\sum\limits_{i=\rm 1}^{\it I}x_i ,$$

im Grenzfall $(I → ∞)$ eine Gaußsche WDF, so lange die einzelnen Komponenten keine statistischen Bindungen besitzen. Dies gilt (nahezu) für alle Dichtefunktionen der einzelnen Summanden $x_i$.
  • Viele Rauschprozesse erfüllen genau diese Voraussetzung, das heißt, sie setzen sich additiv aus einer sehr großen Anzahl voneinander unabhängiger Einzelbeiträge zusammen, so dass ihre Musterfunktionen (Rauschsignale) eine Gaußsche Amplitudenverteilung aufweisen.
  • Legt man ein gaußverteiltes Signal zur spektralen Formung an ein lineares Filter, so ist das Ausgangssignal ebenfalls gaußverteilt. Es ändern sich nur die Verteilungsparameter wie Mittelwert und Streuung sowie die inneren statistischen Bindungen der Abtastwerte.


Das Bild zeigt links ein Gaußsches Zufallssignal $x_1(t)$ und rechts im Vergleich dazu ein gleichverteiltes Signal $x_2(t)$ mit gleichem Mittelwert $m_1$ und gleicher Streuung $σ$.

Beispiele Gaußscher Zufallssignale

Man erkennt, dass bei der Gaußverteilung im Gegensatz zur Gleichverteilung beliebig große und beliebig kleine Amplitudenwerte auftreten können, auch wenn diese sehr unwahrscheinlich sind im Vergleich zum mittleren Amplitudenbereich.

Wahrscheinlichkeitsdichte- und Verteilungsfunktion

Die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion einer gaußverteilten Zufallsgröße lautet allgemein: $$f_x(x) = \frac{1}{\sqrt{2\pi}\cdot\sigma}\cdot {\rm exp}\left (-\frac{(x-m_1)^2 }{2\sigma^2} \right ).$$ Die Parameter einer Gaußschen WDF sind

  • der Mittelwert bzw. der Gleichanteil $m_1$,
  • die Streuung bzw. der Effektivwert $σ$.


WDF und VTF einer gaußverteilten Zufallsgröße


Aus der linken Darstellung geht hervor, dass die Streuung $σ$ als der Abstand von Maximalwert und Wendepunkt aus der glockenförmigen WDF $f_{\rm x}(x)$ auch grafisch ermittelt werden kann. Ist $m_1 =$ 0 und $σ =$ 1, so spricht man oft auch von der Normalverteilung.

Rechts ist die Verteilungsfunktion $F_{\rm x}(r)$ einer gaußverteilten Zufallsgröße dargestellt. Die VTF ist punktsymmetrisch um den Mittelwert $m_1$. Durch Integration über die Gaußsche WDF erhält man: $$F_x(r)= \phi(\frac{\it r-m_{\rm 1}}{\sigma})\hspace{0.5cm}\rm mit\hspace{0.5cm}\rm \phi (\it x) = \frac{\rm 1}{\sqrt{\rm 2\it \pi}}\int_{-\rm\infty}^{\it x} \rm e^{\it -u^{\rm 2}/\rm 2}\,\, d \it u.$$

Man bezeichnet $ϕ(x)$ als das Gaußsche Fehlerintegral. Dessen Funktionsverlauf ist analytisch nicht berechenbar und muss deshalb aus Tabellen entnommen werden. $ϕ(x)$ lässt sich durch eine Taylorreihe annähern oder aus der in Programmbibliotheken oft vorhandenen Funktion „erf( $x$)” berechnen.

Weitere Informationen zu den gaußverteilten Zufallsgrößen liefert das folgende Lernvideo: Der AWGN–Kanal – Teil 2

Überschreitungswahrscheinlichkeit

Bei der Untersuchung digitaler Übertragungssysteme muss oft die Wahrscheinlichkeit bestimmt werden, dass eine (mittelwertfreie) gaußverteilte Zufallsgröße $x$ mit der Varianz $σ^2$ einen vorgegebenen Wert $x_0$ überschreitet. Für diese Wahrscheinlichkeit gilt: $$\rm Pr(\it x > x_{\rm 0})=\rm Q({\it x_{\rm 0}}/{\sigma}).$$ Hierbei bezeichnet $Q(x) = 1 − ϕ(x)$ die Komplementärfunktion zu $ϕ(x)$; man nennt diese Funktion das Komplementäre Gaußsche Fehlerintegral und es gilt folgende Berechnungsvorschrift: $$\rm Q (\it x) = \frac{\rm 1}{\sqrt{\rm 2\pi}}\int_{\it x}^{+\infty}\hspace{-0.2cm}\rm e^{\it -u^{\rm 2}/\rm 2}\,d \it u = \rm 1- \phi (\it x).$$ Dieses Integral ist ebenfalls nicht analytisch lösbar und muss aus Tabellen entnommen werden. In Bibliotheken findet man oft die Funktion „erfc( $x$)”, die mit $Q(x)$ wie folgt zusammenhängt: $$\rm Q(\it x)={\rm 1}/{\rm 2}\cdot \rm erfc({\it x}/{\sqrt{\rm 2}}).$$ Speziell für größere $x$–Werte von (also für kleine Fehlerwahrscheinlichkeiten) liefern die nachfolgend angegebenen Schranken eine brauchbare Abschätzung für das Komplementäre Gaußsche Fehlerintegral. $Q_o(x)$ bezeichnet hierbei eine obere und $Q_u(x)$ eine untere Schranke: $$\rm Q_o(\it x)=\frac{\rm 1}{\sqrt{\rm 2\pi}\cdot x}\cdot \rm e^{-\it x^{\rm 2}/\rm 2}, \rm Q_u(\it x)=\frac{\rm 1-{\rm 1}/{\it x^{\rm 2}}}{\sqrt{\rm 2\pi}\cdot x}\cdot \rm e^{-\it x^{\rm 2}/\rm 2} =\rm Q_0(\it x)\left(\rm 1-{\rm 1}/{\it x^{\rm 2}}\right) .$$ Das Grafik zeigt die Q-Funktion in logarithmischer Darstellung für lineare (obere Achse) und logarithmische Abszissenwerte (untere Achse). Die obere Schranke (rote Kreise) ist ab ca. $x =$ 1 brauchbar, die untere Schranke (grüne Rauten) ab $x ≈$ 2. Für $x$-Werte ≥ 4 sind beide Schranken innerhalb der Zeichengenauigkeit vom tatsächlichen Verlauf Q( $x$) nicht mehr zu unterscheiden.

Komplementäres Gaußsches Fehlerintegral

Zentralmomente und Momente

Die Kenngrößen der Gaußverteilung weisen folgende Eigenschaften auf:

  • Die Zentralmomente $\mu_k$ (identisch mit den Momenten $m_k$ der äquivalenten mittelwertfreien Zufallsgröße $x – m_1$) sind bei der Gaußschen WDF wie auch bei der Gleichverteilung aufgrund der symmetrischen Verhältnisse für ungerade Werte von $k$ identisch 0. Das Zentralmoment $\mu_2$ ist definitionsgemäß gleich $σ^2$.
  • Alle höheren Zentralmomente mit geradzahligen Werten von $k$ lassen sich bei gaußförmiger WDF – wohlgemerkt: ausschließlich bei dieser – durch die Varianz $σ^2$ ausdrücken:

$$\mu_{k}=(k-\rm 1)\cdot (k-\rm 3)\cdot ... \cdot \rm 3\cdot\rm 1\cdot\sigma^k\hspace{0.2cm}\rm (falls\hspace{0.1cm}\it k\hspace{0.1cm}\rm gerade).$$

  • Daraus können die nichtzentrierten Momente $m_k$ wie folgt bestimmt werden:

$$m_k = \sum\limits_{\kappa= 0}^{k} \left( \begin{array}{*{2}{c}} k \\ \kappa \\ \end{array} \right)\cdot \mu_\kappa \cdot {m_1}^{k-\kappa}.$$

Es ist anzumerken, dass diese Gleichung allgemein gilt, also für beliebige Verteilungen.
  • Aus der oberen Gleichung folgt direkt $\mu_4 = 3σ^4$ und daraus für die Kurtosis der Wert $K =$ 3. Den Wert $K$ − 3 bezeichnet man deshalb auch häufig als die Gaußabweichung. Ist diese negativ, so erfolgt der WDF-Abfall schneller als bei der Gaußverteilung. Beispielsweise hat bei einer Gleichverteilung die Gaußabweichung stets den Zahlenwert 1.8 – 3 = –1.2.


Die ersten Zentralmomente einer Gaußschen Zufallsgröße mit Streuung $σ =$ 1/2 sind: $$\mu_2 = \frac{1}{4}, \hspace{0.4cm}\mu_4 = \frac{3}{16},\hspace{0.4cm}\mu_6 = \frac{15}{64}, \hspace{0.4cm}\mu_8 = \frac{105}{256}.$$ Alle Zentralmomente mit ungeradem Index sind indenisch 0.


Mit dem folgenden Modul können Sie sich die Kenngrößen der Gaußverteilung anzeigen lassen: WDF, VTF und Momente spezieller Verteilungen

Erzeugung mittels Additionsmethode

Dieses einfache, auf dem zentralen Grenzwertsatz basierende Verfahren zur rechnertechnischen Generierung einer Gaußschen Zufallsgröße soll hier nur stichpunktartig skizziert werden:

(1) Man geht von (zwischen 0 und 1) gleichverteilten und statistisch voneinander unabhängigen Zufallsgrößen $u_i$ aus ⇒ Mittelwert 1/2, Varianz 1/12.

(2) Man bildet die Summe über $I$ Summanden, wobei $I$ hinreichend groß gewählt werden muss: $$s=\sum\limits_{i=1}^{I}u_i.$$ Nach dem zentralen Grenzwertsatz ist die Zufallsgröße $s$ mit guter Näherung gaußverteilt, wenn $I$ hinreichend groß gewählt wird. Für $I =$ 2 ergibt sich beispielsweise nur eine Dreieck–WDF (Faltung zweier Rechtecke).

(3) Der Mittelwert der Zufallsgröße $s$ beträgt somit $I/2$. Da die gleichverteilten Zufallsgrößen $u_i$ als statistisch voneinander unabhängig vorausgesetzt wurden, können auch ihre Varianzen addiert werden, so dass sich für die Varianz von $s$ der Wert $I/12$ ergibt.

(4) Soll eine gaußverteilte Zufallsgröße $x$ mit anderem Mittelwert $m_x$ und anderer Streuung $σ_x$ erzeugt werden, so muss noch folgende lineare Transformation durchgeführt werden: $$x=m_x+\frac{\sigma_x}{\sqrt{I/\rm 12}}\cdot[(\sum\limits_{\it i=\rm 1}^{\it I}u_i)-{I}/{\rm 2}].$$

(5) Mit dem Parameter $I =$ 12 vereinfacht sich die Generierungsvorschrift, was man insbesondere bei rechenzeitkritischen Anwendungen – z. B. bei einer Echtzeitsimulation – ausnutzen kann: $$x=m_x+\sigma_x\cdot[(\sum\limits_{i=\rm 1}^{12}\it u_i)-\rm 6].$$ Die nach der Additionsmethode (mit Parameter $I$) approximierte Gaußsche Zufallsgröße liefert allerdings nur Werte in einem begrenzten Bereich um den Mittelwert $m_x$. Allgemein gilt: $$m_x-\sqrt{3 I}\cdot \sigma_x\le x \le m_x+\sqrt{3 I}\cdot \sigma_x.$$

Der Fehler gegenüber der theoretischen Gaußverteilung ist an diesen Grenzen am größten und wird für steigendes $I$ kleiner. Diesen Sachverhalt können Sie sich anhand eines Lernvideos verdeutlichen. Prinzip der Additionsmethode