Aufgabe 1.8: Synthetisch erzeugte Texte

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Zwei synthetisch erzeugte Textdateien

Der frühere Praktikumsversuch Wertdiskrete Informationstheorie von Günter Söder am Lehrstuhl für Nachrichtentechnik der Technischen Universität München verwendet das Windows-Programm WDIT. Die hier angegebenen Links führen zur PDF-Version der Praktikumsanleitung bzw. zur ZIP-Version des Programms. Mit diesem Programm

  • kann man aus einer gegebenen Textdatei VORLAGE die Häufigkeiten von Buchstabentripeln wie „aaa”, „aab”, ... , „xyz”, ... ermitteln und in einer Hilfsdatei abspeichern,
  • danach eine Datei SYNTHESE erzeugen, wobei das neue Zeichen aus den beiden letzten Zeichen und den abgespeicherten Tripel–Häufigkeiten generiert wird.


Ausgehend von der deutschen und der englischen Bibelübersetzung haben wir so zwei Dateien synthetisiert, die in der Grafik angegeben sind:

  • die Datei 1 (rote Umrandung),
  • die Datei 2 (grüne Umrandung)


Nicht bekannt gegeben wird, welche Datei von welcher Vorlage stammt. Dies zu ermitteln ist Ihre erste Aufgabe.

Die beiden Vorlagen basieren auf dem natürlichen Alphabet (26 Buchstaben) und dem Leerzeichen („LZ”) ⇒ $M = 27$. Bei der deutschen Bibel wurden die Umlaute ersetzt, zum Beispiel „ä” ⇒ „ae”.


Die Datei 1 weist folgende Eigenschaften auf:

  • Die häufigsten Zeichen sind „LZ” mit 19.8%, gefolgt von „e” mit 10.2% und „a” mit 8.5%.
  • Nach „LZ” (Leerzeichen) tritt „t” mit 17.8% am häufigsten auf.
  • Vor einem Leerzeichen ist „d” am wahrscheinlichsten.
  • Die Entropienäherungen jeweils mit der Einheit „bit/Zeichen”, wurden wie folgt ermittelt:
$$H_0 = 4.76\hspace{0.05cm},\hspace{0.2cm} H_1 = 4.00\hspace{0.05cm},\hspace{0.2cm} H_2 = 3.54\hspace{0.05cm},\hspace{0.2cm} H_3 = 3.11\hspace{0.05cm},\hspace{0.2cm} H_4 = 2.81\hspace{0.05cm}. $$

Dagegen ergibt die Analyse von Datei 2:

  • Die häufigsten Zeichen sind „LZ” mit 17.6% gefolgt von „e” mit 14.4% und „n” mit 8.9%.
  • Nach „LZ” ist „d” am wahrscheinlichsten (15.1%) gefolgt von „s” mit 10.8%.
  • Nach „LZ” und „d” sind die Vokale „e” (48.3%), „i” (23%) und „a” (20.2%) dominant.
  • Die Entropienäherungen unterscheiden sich nur geringfügig von denen der Datei 1.
  • Für größere $k$–Werte sind diese etwas größer, zum Beispiel $H_3 = 3.17$ statt $H_3 = 3.11$.


Hinweise:


Fragebogen

1

Welche Vorlagen wurden für die hier gezeigte Textsynthese verwendet?

Die Datei 1 (rot) basiert auf einer englischen Vorlage.
Die Datei 1 (rot) basiert auf einer deutschen Vorlage.

2

Vergleichen Sie die mittleren Wortlängen von Datei 1 und Datei 2.

Die Wörter der „englischen” Datei sind im Mittel länger.
Die Wörter der „deutschen” Datei sind im Mittel länger.

3

Welche Aussagen gelten für die Entropienäherungen?

VORLAGE und SYNTHESE liefern ein nahezu gleiches $H_1$.
VORLAGE und SYNTHESE liefern ein nahezu gleiches $H_2$.
VORLAGE und SYNTHESE liefern ein nahezu gleiches $H_3$.
VORLAGE und SYNTHESE liefern ein nahezu gleiches $H_4$.

4

Welche Aussagen treffen für den „englischen” Text zu?

Die meisten Wörter beginnen mit „t”.
Die meisten Wörter enden mit „t”.

5

Welche Aussagen könnten für deutsche Texte gelten?

Nach „de” ist „r” am wahrscheinlichsten.
Nach „da” ist „s” am wahrscheinlichsten.
Nach „di” ist „e” am wahrscheinlichsten.


Musterlösung

(1)  Richtig ist der Lösungsvorschlag 1. In der Datei 1 erkennt man viele englische Wörter, in der Datei 2 viele deutsche. Sinn ergibt keiner der beiden Texte.

(2)  Richtig ist somit der Lösungsvorschlag 2. Die Abschätzungen von Shannon und Küpfmüller bestätigen unser Ergebnis:

  • Die Wahrscheinlichkeit eines Leerzeichens beträgt bei der Datei 1 (Englisch) 19.8%. Also ist im Mittel jedes 1/0.198 = 5.05–te Zeichen ein Leerzeichen. Die mittlere Wortlänge ergibt sich daraus zu
$$L_{\rm M} = \frac{1}{0.198}-1 \approx 4.05\,{\rm Zeichen}\hspace{0.05cm}.$$
  • Entsprechend gilt für die Datei 2 (Deutsch):
$$L_{\rm M} = \frac{1}{0.176}-1 \approx 4.68\,{\rm Zeichen}\hspace{0.05cm}.$$


(3)  Richtig sind die drei ersten Aussagen, nicht jedoch Aussage 4:

  • Zur Bestimmung der Entropienäherung $H_k$ müssen $k$–Tupel ausgewertet werden, zum Beispiel für $k = 3$ Tripel: „aaa”, „aab”, ....
  • Nach der Generierungsvorschrift „Neues Zeichen hängt von den beiden Vorgängern ab” werden $H_1$, $H_2$ und $H_3$ von VORLAGE und SYNTHESE übereinstimmen, allerdings auf Grund der endlichen Dateilänge nur näherungsweise.
  • Dagegen unterscheiden sich die $H_4$–Näherungen stärker, da bei der Generierung der dritte Vorgänger unberücksichtigt bleibt.
  • Bekannt ist nur, dass auch bezüglich SYNTHESE $H_4 < H_3$ gelten muss.


(4)  Richtig ist hier nur die Aussage 1:

  • Nach einem Leerzeichen (Wortanfang) folgt „t” mit 17.8%, während am Wortende (vor einem Leerzeichen) „t” nur mit der Häufigkeit <8.5% auftritt. Die (hier nicht explizit angegebene) Häufigkeit von „t” ist 8.3%. Insgesamt beträgt die Auftrittswahrscheinlichkeit von „t” über alle Positionen im Wort gemittelt 7.4%.
  • Als dritter Buchstaben nach Leerzeichen und „t” folgt „h” mit fast 82% und nach „th” ist „e” mit 62% am wahrscheinlichsten. Das lässt daraus schließen, dass „the” in einem englischen Text überdurchschnittlich oft vorkommt und damit auch in der synthetischen Datei 1, wie die folgende Grafik zeigt.
  • Aber nicht bei allen Markierungen tritt „the” isoliert auf  ⇒  direkt vorher und nachher ein Leerzeichen.
Auftreten von „...the...” im englischen Text

(5)  Alle Aussagen treffen zu.

  • Nach „de” ist tatsächlich „r” am wahrscheinlichsten (32.8%), gefolgt von „n” (28.5%), „s” (9.3%) und „m” (9.7%).
  • Dafür verantwortlich könnten „der”, „den”, „des” und „dem” sein.
  • Nach „da” folgt „s” mit größter Wahrscheinlichkeit: 48.2%.
  • Nach „di” folgt „e” mit größter Wahrscheinlichkeit: 78.7%.

Die Grafik zeigt die Datei 2 mit allen „der”, „die” und „das”.

Auftreten von „der”, „die”, „das”im deutschen Text