Analytisches Signal und zugehörige Spektralfunktion

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Definition im Frequenzbereich


Wir betrachten ein reelles bandpassartiges Signal $x(t)$ mit dem dazugehörigen BP–Spektrum $X(f)$, das bezüglich des Frequenznullpunktes einen geraden Real– und einen ungeraden Imaginärteil besitzt. Es wird vorausgesetzt, dass die Trägerfrequenz $f_{\rm T}$ sehr viel größer als die Bandbreite des BP–Signals $x(t)$ ist.

$\text{Definition:}$  Das zum physikalischen Signal $x(t)$ gehörige analytische Signal $x_+(t)$ ist diejenige Zeitfunktion, deren Spektrum folgende Eigenschaft erfüllt:

Analytisches Signal im Frequenzbereich
$$X_+(f)=\big[1+{\rm sign}(f)\big] \cdot X(f) = \left\{ {2 \cdot X(f) \; \hspace{0.2cm}\rm f\ddot{u}r\hspace{0.2cm} {\it f} > 0, \atop {\,\,\,\, \rm 0 \; \hspace{0.9cm}\rm f\ddot{u}r\hspace{0.2cm} {\it f} < 0.} }\right.$$

Die so genannte Signumfunktion ist dabei für positive Werte von $f$ gleich $+1$ und für negative $f$–Werte gleich $-1$.

  • Der (beidseitige) Grenzwert liefert $\sign(0) = 0$.
  • Der Index „+” soll deutlich machen, dass $X_+(f)$ nur Anteile bei positiven Frequenzen besitzt.


Aus der Grafik erkennt man die Berechnungsvorschrift für $X_+(f)$:

Das tatsächliche Bandpass–Spektrum $X(f)$ wird

  • bei den positiven Frequenzen verdoppelt, und
  • bei den negativen Frequenzen zu Null gesetzt.


Beispielspektrum des analytischen Signals

$\text{Beispiel 1:}$ 

Die Grafik zeigt

  • links das (komplexe) Spektrum $X(f)$ des BP–Signals
$$x(t) = 4\hspace{0.05cm}{\rm V} \cdot {\cos} ( 2 \pi f_{\rm u} \hspace{0.03cm}t) + 6\hspace{0.05cm}{\rm V} \cdot {\sin} ( 2 \pi f_{\rm o} \hspace{0.03cm}t).$$
  • rechts das (ebenfalls komplexe) Spektrum des analytischen Signals $x_{+}(t)$.


Allgemeingültige Berechnungsvorschrift im Zeitbereich


Zur Herleitung des analytischen Signals

Wir betrachten nun das Spektrum $X_+(f)$ des analytischen Signals etwas genauer und teilen dieses in einen bezüglich $f = 0$ geraden Anteil $X_{\rm +g}(f)$ und einen ungeraden Anteil $X_{\rm +u}(f)$ auf:

$$X_+(f) = X_{\rm +g}(f) + X_{\rm +u}(f).$$

Alle diese Spektren sind im Allgemeinen komplex.

Berücksichtigt man den Zuordnungssatz der Fouriertransformation, so sind anhand der Grafik folgende Aussagen möglich:

  • Der gerade Anteil $X_{\rm +g}(f)$ von $X_{+}(f)$ führt nach der Fouriertransformation zu einem reellen Zeitsignal, der ungerade Anteil $X_{\rm +u}(f)$ zu einem imaginären.
  • Es ist offensichtlich, dass $X_{\rm +g}(f)$ gleich dem tatsächlichen Fourierspektrum $X(f)$ und damit der Realteil von $x_{\rm +g}(t)$ gleich dem vorgegebenen Signal $x(t)$ mit Bandpasseigenschaften ist.
  • Bezeichnen wir den Imaginärteil mit $y(t)$, so lautet das analytische Signal:
$$x_+(t)= x(t) + {\rm j} \cdot y(t) .$$
  • Nach den allgemein gültigen Gesetzen der Fouriertransformation entsprechend dem Zuordnungssatz gilt somit für die Spektralfunktion des Imaginärteils:
$${\rm j} \cdot Y(f) = X_{\rm +u}(f)= {\rm sign}(f) \cdot X(f) \hspace{0.3cm}\Rightarrow\hspace{0.3cm}Y(f) = \frac{{\rm sign}(f)}{ {\rm j}}\cdot X(f).$$
  • Transformiert man diese Gleichung in den Zeitbereich, so wird aus der Multiplikation die Faltungsoperation, und man erhält:
$$y(t) = \frac{1}{ {\rm \pi} t} \hspace{0.05cm}\star \hspace{0.05cm}x(t) = \frac{1}{ {\rm \pi}} \cdot \hspace{0.03cm}\int_{-\infty}^{+\infty}\frac{x(\tau)}{ {t - \tau}}\hspace{0.15cm} {\rm d}\tau.$$

Darstellung mit der Hilberttransformation


An dieser Stelle ist es erforderlich, kurz auf eine weitere Spektraltransformation einzugehen, die im Buch Lineare zeitinvariante Systeme noch eingehend behandelt wird.

$\text{Definition:}$  Für die Hilberttransformierte $ {\rm H}\left\{x(t)\right\}$ einer Zeitfunktion $x(t)$ gilt:

$$y(t) = {\rm H}\left\{x(t)\right\} = \frac{1}{ {\rm \pi} } \cdot \hspace{0.03cm}\int_{-\infty}^{+\infty}\frac{x(\tau)}{ {t - \tau} }\hspace{0.15cm} {\rm d}\tau.$$
  • Dieses bestimmte Integral ist nicht auf einfache, herkömmliche Art lösbar, sondern muss mit Hilfe des Cauchy–Hauptwertsatzes ausgewertet werden.
  • Entsprechend gilt im Frequenzbereich:
$$Y(f) = - {\rm j} \cdot {\rm sign}(f) \cdot X(f) \hspace{0.05cm} .$$


Das Ergebnis der letzten Seite lässt sich mit dieser Definition wie folgt zusammenfassen:

  • Man erhält aus dem realen, physikalischen BP–Signal $x(t)$ das analytische Signal $x_+(t)$, indem man zu $x(t)$ einen Imaginärteil entsprechend der Hilberttransformierten hinzufügt:
$$x_+(t) = x(t)+{\rm j} \cdot {\rm H}\left\{x(t)\right\} .$$
  • Die Hilberttransformierte $\text{H}\{x(t)\}$ verschwindet nur für den Fall $x(t) = \rm const.$   ⇒   Gleichsignal Bei allen anderen Signalformen ist das analytische Signal $x_+(t)$ somit stets komplex.
  • Aus dem analytischen Signal $x_+(t)$ kann das reale Bandpass–Signal in einfacher Weise durch Realteilbildung ermittelt werden:
$$x(t) = {\rm Re}\left\{x_+(t)\right\} .$$

$\text{Beispiel 2:}$  Das Prinzip der Hilbert–Transformation wird durch die folgende Grafik nochmals verdeutlicht:

  • Nach der linken Darstellung $\rm (A)$ kommt man vom physikalischen Signal $x(t)$ zum analytischen Signal $x_+(t)$, indem man einen Imaginärteil ${\rm j} \cdot y(t)$ hinzufügt.
  • Hierbei ist $y(t) = {\rm H}\left\{x(t)\right\}$] eine reelle Zeitfunktion, die sich am einfachsten im Spektralbereich durch die Multiplikation des Spektrums $X(f)$ mit $- {\rm j} \cdot \sign(f)$ angeben lässt.
Zur Verdeutlichung der Hilbert–Transformierten

Die rechte Darstellung $\rm (B)$ ist äquivalent zu $\rm (A)$:

  • Nun gilt $x_+(t) = x(t) + z(t)$ mit der rein imaginären Funktion $z(t)$.
  • Ein Vergleich der beiden Bilder zeigt, dass tatsächlich $z(t) = {\rm j} \cdot y(t)$ ist.


Zeigerdiagrammdarstellung der harmonischen Schwingung


Die Spektralfunktion $X(f)$ einer harmonischen Schwingung $x(t) = A \cdot \text{cos}(2\pi f_{\rm T}t - \varphi)$ besteht bekanntlich aus zwei Diracfunktionen bei den Frequenzen

  • $+f_{\rm T}$ mit dem komplexen Gewicht $A/2 \cdot \text{e}^{-\text{j}\hspace{0.05cm}\varphi}$,
  • $-f_{\rm T}$ mit dem komplexen Gewicht $A/2 \cdot \text{e}^{+\text{j}\hspace{0.05cm}\varphi}$.


Somit lautet das Spektrum des analytischen Signals (also ohne die Diracfunktion bei der Frequenz $f =-f_{\rm T}$):

$$X_+(f) = A \cdot {\rm e}^{-{\rm j} \hspace{0.05cm}\varphi}\cdot\delta (f - f_{\rm T}) .$$

Die dazugehörige Zeitfunktion erhält man durch Anwendung des Verschiebungssatzes:

$$x_+(t) = A \cdot {\rm e}^{\hspace{0.05cm} {\rm j}\hspace{0.05cm}\cdot\hspace{0.05cm}( 2 \pi f_{\rm T} t \hspace{0.05cm}-\hspace{0.05cm} \varphi)}.$$

Diese Gleichung beschreibt einen mit konstanter Winkelgeschwindigkeit $\omega_{\rm T} = 2\pi f_{\rm T}$ drehenden Zeiger.


$\text{Beispiel 3:}$  Aus Darstellungsgründen ist in der folgenden Grafik das Koordinatensystem entgegen der üblichen Darstellung um $90^\circ$ nach links gedreht (Realteil nach oben, Imaginärteil nach links).

Zeigerdiagramm einer harmonischen Schwingung

Anhand dieser Grafik sind folgende Aussagen möglich:

  • Zum Startzeitpunkt $t = 0$ liegt der Zeiger der Länge $A$ (Signalamplitude) mit dem Winkel $-\varphi$ in der komplexen Ebene. Im gezeichneten Beispiel gilt $\varphi = 45^\circ$.
  • Für Zeiten $t > 0$ dreht der Zeiger mit konstanter Winkelgeschwindigkeit (Kreisfrequenz) $\omega_{\rm T}$ in mathematisch positiver Richtung, das heißt entgegen dem Uhrzeigersinn.
  • Die Spitze des Zeigers liegt somit stets auf einem Kreis mit Radius $A$ und benötigt für eine Umdrehung genau die Zeit $T_0$, also die Periodendauer der harmonischen Schwingung $x(t)$.
  • Die Projektion des analytischen Signals $x_+(t)$ auf die reelle Achse, durch rote Punkte markiert, liefert die Augenblickswerte von $x(t)$.


Zeigerdiagramm einer Summe harmonischer Schwingungen


Für die weitere Beschreibung gehen wir für das analytische Signal von folgendem Spektrum aus:

$$X_+(f) = \sum_{i=1}^{I}A_i \cdot {\rm e}^{-{\rm j}\hspace{0.05cm}\cdot\hspace{0.05cm} \varphi_i}\cdot\delta (f - f_{i}) .$$

Das linke Bild zeigt ein solches Spektrum für das Beispiel $I = 3$. Wählt man $I$ relativ groß und den Abstand zwischen benachbarten Spektrallinien entsprechend klein, so können mit obiger Gleichung auch kontinuierliche Spektralfunktionen $X_+(f)$ angenähert werden.

Zeigerdiagramm eines Verbundes aus drei Schwingungen

Im rechten Bild ist die dazugehörige Zeitfunktion angedeutet. Diese lautet allgemein:

$$x_+(t) = \sum_{i=1}^{I}A_i \cdot {\rm e}^{ {\rm j}\hspace{0.05cm}\cdot\hspace{0.05cm}(\omega_i \hspace{0.05cm}\cdot\hspace{0.05cm} t \hspace{0.05cm}-\hspace{0.05cm} \varphi_i)}.$$

Zu dieser Grafik ist Folgendes anzumerken:

  • Die Skizze zeigt die Ausgangslage der Zeiger zum Startzeitpunkt $t = 0$ entsprechend den Amplituden $A_i$ und den Phasenlagen $\varphi_i$.
  • Die Spitze des resultierenden Zeigerverbundes ist durch das violette Kreuz markiert. Man erhält durch vektorielle Addition der drei Einzelzeiger für den Zeitpunkt $t = 0$:
$$x_+(t) = \big [1 \cdot \cos(60^\circ) - 1 \cdot {\rm j} \cdot \sin(60^\circ) \big ]+ 2 \cdot \cos(0^\circ)+1 \cdot \cos(180^\circ) = 1.500 - {\rm j} \cdot 0.866.$$
  • Für Zeiten $t$ > 0 drehen die drei Zeiger mit unterschiedlichen Winkelgeschwindigkeiten $\omega_i = 2\pi f_i$. Der rote Zeiger dreht schneller als der grüne, aber langsamer als der blaue Zeiger.
  • Da alle Zeiger entgegen dem Uhrzeigersinn drehen, wird sich auch der resultierende Zeiger $x_+(t)$ tendenziell in diese Richtung bewegen. Zum Zeitpunkt $t = 1\,µ\text {s}$ liegt die Spitze des resultierenen Zeigers für die angegebenen Parameterwerte bei
$$ \begin{align*}x_+(t = 1 {\rm \hspace{0.05cm}µ s}) & = 1 \cdot {\rm e}^{-{\rm j}\hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm}60^\circ}\cdot {\rm e}^{{\rm j}\hspace{0.05cm}2 \pi \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.1cm}40 \hspace{0.05cm} \cdot \hspace{0.1cm} 0.001} + 2\cdot {\rm e}^{{\rm j}\hspace{0.05cm}2 \pi \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.1cm}50 \hspace{0.05cm} \cdot \hspace{0.1cm} 0.001}- 1\cdot {\rm e}^{{\rm j}\hspace{0.05cm}2 \pi \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.1cm}60 \hspace{0.05cm} \cdot \hspace{0.1cm} 0.001} = \\ & = 1 \cdot {\rm e}^{-{\rm j}\hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm}45.6^\circ} + 2\cdot {\rm e}^{{\rm j}\hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm}18^\circ}- 1\cdot {\rm e}^{{\rm j}\hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm}21.6^\circ} \approx 1.673- {\rm j} \cdot 0.464.\end{align*}$$
  • Die resultierende Zeigerspitze liegt nun aber nicht wie bei einer einzigen Schwingung auf einem Kreis, sondern es entsteht eine komplizierte geometrische Figur.


Das Interaktionsmodul Zeigerdiagramm – Darstellung des analytischen Signals zeigt $x_+(t)$ für die Summe dreier harmonischer Schwingungen.


Aufgaben zum Kapitel


Aufgabe 4.3: Zeigerdiagrammdarstellung

Aufgabe 4.3Z: Hilbert-Transformator

Aufgabe 4.4: Zeigerdiagramm bei ZSB-AM

Aufgabe 4.4Z: Zeigerdiagramm bei ESB-AM