Aufgabe 3.1Z: Frequenzgang des Koaxialkabels
Ein so genanntes "Normalkoaxialkabel" mit
- dem Kerndurchmesser $2.6 \ \rm mm$,
- dem Außendurchmesser $9.5 \ \rm mm$, und
- der Länge $l$
besitzt den folgenden Frequenzgang:
- $$H_{\rm K}(f) \ = \ {\rm e}^{- \alpha_0 \hspace{0.05cm} \cdot \hspace{0.05cm} l} \cdot {\rm e}^{- \alpha_1 \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm}l \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm}f} \cdot {\rm e}^{- \alpha_2 \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm}l\hspace{0.05cm}\hspace{0.05cm}\cdot \sqrt{f}} \cdot {\rm e}^{- {\rm j} \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm} \beta_1 \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm} l \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm}f} \cdot {\rm e}^{- {\rm j} \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm} \beta_2 \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm}l\hspace{0.05cm}\hspace{0.05cm}\cdot \sqrt{f}} \hspace{0.05cm}.$$
Die Dämpfungsparameter $\alpha_0$, $\alpha_1$ und $\alpha_2$ sind in Neper $(\rm Np)$ und die Phasenparameter $\beta_1$ und $\beta_2$ in Radian $(\rm rad)$ einzusetzen. Es gelten folgende Zahlenwerte:
- $$\alpha_0 = 0.00162 \hspace{0.15cm}\frac{\rm Np}{\rm km} \hspace{0.05cm},\hspace{0.2cm} \alpha_1 = 0.000435 \hspace{0.15cm}\frac{\rm Np}{\rm km\cdot{\rm MHz}} \hspace{0.05cm}, \hspace{0.2cm} \alpha_2 = 0.2722 \hspace{0.15cm}\frac{\rm Np}{\rm km\cdot\sqrt{\rm MHz}} \hspace{0.05cm}.$$
Häufig verwendet man zur systemtheoretischen Beschreibung eines "linearen zeitinvarianten Systems" $\rm (LZI)$
- die Dämpfungsfunktion $($in $\rm Np$ bzw. $\rm dB)$:
- $$a_{\rm K}(f) = - {\rm ln} \hspace{0.10cm}|H_{\rm K}(f)|= - 20 \cdot {\rm lg} \hspace{0.10cm}|H_{\rm K}(f)| \hspace{0.05cm},$$
- die Phasenfunktion $($in $\rm rad$ bzw. $\rm Grad)$:
- $$b_{\rm K}(f) = - {\rm arc} \hspace{0.10cm}H_{\rm K}(f) \hspace{0.05cm}.$$
In der Praxis benutzt man häufig die Näherung
- $$H_{\rm K}(f) = {\rm e}^{- \alpha_2 \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm}l\hspace{0.05cm}\hspace{0.05cm}\cdot \sqrt{f}} \cdot {\rm e}^{- {\rm j} \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm} \beta_2 \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm}l\hspace{0.05cm}\hspace{0.05cm}\cdot \sqrt{f}}\hspace{0.3cm}\Rightarrow \hspace{0.3cm} a_{\rm K}(f) = \alpha_2 \cdot l \cdot \sqrt{f}, \hspace{0.2cm}b_{\rm K}(f) = a_{\rm K}(f) \cdot \frac{\rm rad}{\rm Np}\hspace{0.05cm}.$$
Dies ist erlaubt, da $\alpha_2$ und $\beta_2$ genau den gleichen Zahlenwert besitzen – nur unterschiedliche Pseudoeinheiten.
Mit der Definition der charakteristischen Kabeldämpfung (in Neper bzw. Dezibel)
- $$a_{\rm * (Np)} = a_{\rm K}(f = {R_{\rm B}}/{2}) = 0.1151 \cdot a_{\rm * (dB)}$$
lassen sich zudem Digitalsysteme mit unterschiedlicher Bitrate $R_{\rm B}$ und Kabellänge $l$ einheitlich behandeln.
Hinweise:
- Die Aufgabe gehört zum Kapitel "Ursachen und Auswirkungen von Impulsinterferenzen".
- Bezug genommen wird insbesondere auf den Abschnitt "Signale, Basisfunktionen und Vektorräume".
Fragebogen
Musterlösung
- Der $\alpha_0$–Term bewirkt nur eine frequenzunabhängige Dämpfung und der $\beta_1$–Term (lineare Phase) eine frequenzunabhängige Laufzeit.
- Alle anderen Terme tragen zu den (linearen) Verzerrungen bei.
(2) Mit $a_0 = \alpha_0 \cdot l$ muss folgende Gleichung erfüllt sein:
- $${\rm e}^{- a_0 } \ge 0.99 \hspace{0.3cm} \Rightarrow \hspace{0.3cm}a_0 < {\rm ln} \hspace{0.10cm}\frac{1}{0.99}\approx 0.01\,\,{\rm (Np)} \hspace{0.05cm}.$$
- Damit erhält man für die maximale Kabellänge
- $$l_{\rm max} = \frac{a_0 }{\alpha_0 } = \frac{0.01\,\,{\rm Np}}{0.00162\,\,{\rm Np/km}}\hspace{0.15cm}\underline {\approx 6.173\,\,{\rm km}} \hspace{0.05cm}.$$
(3) Für den Dämpfungsverlauf gilt bei Berücksichtigung aller Terme:
- $$a_{\rm K}(f) \ = \ \big[\alpha_0 + \alpha_1 \cdot f + \alpha_2 \cdot \sqrt{f}\hspace{0.05cm}\big] \cdot l = \big [0.00162 + 0.000435 \cdot 70 + 0.2722 \cdot \sqrt{70}\hspace{0.05cm}\big]\, \frac{\rm Np}{\rm km} \cdot 2\,{\rm km} = \hspace{0.15cm}\underline {= 4.619\, {\rm Np}}\hspace{0.05cm}.$$
(4) Entsprechend der Berechnung bei Punkt (3) erhält man hier den Dämpfungswert $\underline {4.555\,{\rm Np}}$.
(5) Für eine jede positive Größe $x$ gilt:
- $$x_{\rm Np} = {\rm ln} \hspace{0.10cm} x = \frac{{\rm lg} \hspace{0.10cm} x}{{\rm lg} \hspace{0.10cm} {\rm e}} = \frac{1}{{20 \cdot \rm lg} \hspace{0.10cm} {\rm e}} \cdot (20 \cdot {\rm lg} \hspace{0.10cm} x) = 0.1151 \cdot x_{\rm dB}\hspace{0.3cm} \Rightarrow \hspace{0.3cm} x_{\rm dB} = 8.686 \cdot x_{\rm Np}\hspace{0.05cm}.$$
- Der Dämpfungswert $4.555\,{\rm Np}$ ist somit identisch mit $\underline{39.57\,{\rm dB} }$.
(6) Richtig sind die Lösungsvorschläge 1, 4 und 5:
- Mit der Beschränkung auf den Dämpfungsterm mit $\alpha_2$ gilt für den Frequenzgang:
- $$H_{\rm K}(f) = {\rm e}^{- \alpha_2 \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm}l\hspace{0.05cm}\hspace{0.05cm}\cdot \sqrt{f}} \cdot {\rm e}^{- {\rm j} \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm} \beta_1 \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm} l \hspace{0.05cm}\cdot f} \cdot {\rm e}^{- {\rm j} \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm} \beta_2 \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm}l\hspace{0.05cm}\hspace{0.05cm}\cdot \sqrt{f}} \hspace{0.05cm}.$$
- Verzichtet man auf den $\beta_1$–Phasenterm, so ändert sich bezüglich der Verzerrungen nichts. Lediglich die Phasen– und Gruppenlaufzeit würden (beide gleich) um den Wert $\tau_1 = (\beta_1 \cdot l)/2\pi$ kleiner.
- Verzichtet man auf den $\beta_2$–Term, so ergeben sich dagegen völlig andere Verhältnisse:
- Der Frequenzgang $H_{\rm K}(f)$ erfüllt nun nicht mehr die Voraussetzung eines kausalen Systems; bei einem solchen muss $H_{\rm K}(f)$ minimalphasig sein.
- Die Impulsantwort $h_{\rm K}(t)$ ist bei reellem Frequenzgang symmetrisch um $t = 0$, was nicht den Gegebenheiten entspricht.
- Deshalb ist als eine Näherung für den Koaxialkabelfrequenzgang erlaubt:
- $$a_{\rm K}(f) = \alpha_2 \cdot l \cdot \sqrt{f}, \hspace{0.2cm}b_{\rm K}(f) = a_{\rm K}(f) \cdot \frac{\rm rad}{\rm Np}\hspace{0.05cm}.$$
- Das heißt: $a_{\rm K}(f)$ und $b_{\rm K}(f)$ eines Koaxialkabels sind formgleich und unterscheiden sich lediglich in ihren Einheiten.
- Bei einem Digitalsystem mit Bitrate $R_{\rm B} = 140\,{\rm Mbit/s}$ ⇒ $R_{\rm B}/2 = 70\,{\rm Mbit/s}$ und Kabellänge $l = 2\,{\rm km}$ gilt tatsächlich $a_* ≈ 40\,{\rm dB}$ – siehe Lösung zu (5).
- Ein System mit vierfacher Bitrate $(R_{\rm B}/2 = 280\,{\rm Mbit/s})$ und halber Länge $(l = 1\,{\rm km})$ führt zur gleichen charakteristischen Kabeldämpfung.
- Dagegen gilt für ein System mit $R_{\rm B}/2 = 35\,{\rm Mbit/s}$ und $l = 2\,{\rm km}$:
- $$a_{\rm dB} = 0.2722 \frac{\rm Np}{\rm km\cdot \sqrt{\rm MHz}} \cdot 2 \ \rm km \cdot \sqrt{35 \ \rm MHz} \cdot 8.6859 \frac{\rm dB}{\rm Np} ≈ 28 \ \rm dB.$$